«Jetzt gerade Richtung Süden zu fliegen, würde mir schon gefallen. Ich könnte ja im Grunde gleich aufbrechen», so verheis­sungsvoll beginnt der Roman des Wiener Autors Hanno Millesi. Seine Reise führt ihn in die eigenen vier Wände. In die Küche zum Beispiel: «Im Kühlschrank liegt eine Sardine. Gemeinsam mit Walnüssen und Pfefferschoten schwimmt sie in einer Pfütze Pflanzenöl. Im Gegensatz zu dem Brotkäfer, den es inmitten seines alltäglichen Existenzkampfes erwischt haben dürfte, wurde die Sardine mit biologischen Mitteln konserviert und in der Kälte aufgebahrt wie die Ehefrau eines Pharaos.»

Während sich im Kopf der Leserin aufgrund dieser Beschreibung eine Szenerie mit weissen, Insektizid versprühenden Kammerjägern einstellt, spekuliert der Romanheld darüber, wie die Sardine wohl zu Tode gekommen ist. Bevor er sich aufmacht, in den übrigen Räumlichkeiten nach ­anderem Getier zu fahnden.

Gefangen im eigenen Kokon
Keine Kammerjäger, keine Putzfrauen: In 52 Kapiteln geht der Protagonist – ein Schriftsteller – allein durch seine Wohnung. In einem Anfall von Mitgefühl befreit er eine Topfpflanze aus ihrem Gefäss, oder er denkt dar­über nach, ob er mit dem Tisch verwachsen könnte. Das Buch «Schmetterlingstrieb» wird seinem Titel gerecht: Der Protagonist scheint in einem Kokon gefangen, eine Befreiung gelingt ihm nicht. Zeitweise witzig, wirkt der Roman doch über weite Strecken verstörend. Was wenig erstaunt, denn der 1966 gebo­rene Millesi ist dem Wiener Aktionismus zugeneigt. Er arbei­tete als Assistent bei Hermann Nitsch, einem der Mitbegründer dieser bis heute umstrittenen Kunstform aus dem Jahr 1962. Sie hatte vor allem ein Ziel: Die Menschen mit zum Teil ekel­erregenden Bildern zu provo­zieren. 

Buch
Hanno Millesi 
«Der Schmetterlingstrieb»
136 Seiten
(Edition Atelier 2016).