Es ist Winter in Poljice, Bosnien-Herzegowina. Ein Mann geht mit Säge und Beil in den Wald, um Brennholz zu besorgen. Mit seiner Frau Senada und den beiden Töchtern lebt Nazif in ärmlichen Verhältnissen in einem Roma-Dorf. Etwas Geld gibt es für die Arbeit, die er zusammen mit dem Nachbarn verrichtet: Kunstvoll zerteilen die Männer ein Auto. Für das Altmetall gibt es 153 bosnische Mark.
Daheim klagt Senada über Bauchschmerzen. Der Besuch beim Arzt ergibt als Befund, dass sie eine Fehlgeburt im fünften Monat erlitten hat. Der Fötus muss dringend ausgeschabt werden. Ein Eingriff, der 500 Euro kostet, die Nazif und Senada nicht haben: Sie werden im Spital abgewiesen, weil sie keine Krankenversicherungskarte besitzen.
Ein Stossseufzer von Nazif: «Oh Gott, warum lässt du immer die Armen leiden?» Er versucht, zu etwas Geld zu bekommen. Doch das Geld, das er für den Schrott erhält, den er auf einer offenen Mülldeponie sammelt, reicht nirgends hin. Geld von einem Roma-Hilfswerk lehnt Senada ab. Erneuter Stossseufzer von Nazif, der vier Jahre im Krieg gedient hatte, ohne Dank, ohne Pensionsanspruch: «Mein Gott, da ging es uns im Krieg besser!» Dann ein Hoffnungsschimmer: Senadas Nichte besitzt eine Versicherungskarte. Damit und unter Vorspiegelung einer falschen Identität geht es ins Krankenhaus. Senada wird gerettet.
Doch das Leben wird nicht besser: Zu Hause wird ihnen der Strom abgestellt. Nazif zerlegt seinen alten Opel Kadett. Er geht in den Wald, um Brennholz zu holen.
Erfolg an Berlinale
Oscar-Preisträger Danis Tanovic («No Man’s Land», s. Seite 16) erzählt mit «An Episode In The Life Of An Iron Picker» eine einfache Geschichte. Sie erscheint aus gutem Grund authentisch: Das Schicksal, das Nazif und Senada erlitten haben mit der diskriminierenden Abweisung im Spital hat sich so zugetragen. Die Betroffenen spielen sie in dieser Nachkonstruktion selber. Neun Drehtage brauchte Regisseur Tanovic für diesen No-Budget-Film, dessen künstlerische Wahrhaftigkeit gleich doppelt belohnt wurde: An der Berlinale 2013 gab es dafür den Grossen Preis der Jury und den Silbernen Bären für den besten Darsteller.
Regisseur Tanovic will mit seinem realistischen Film «Diskriminierungen aufdecken, denen Minderheiten, insbesondere Roma, in Bosnien-Herzegowina ausgesetzt sind». Im lange zurückliegenden Krieg auf dem Balkan habe er beobachtet, wie Menschen Fremden in Not halfen. Dieses Verhalten kenne die heutige Gesellschaft nicht mehr. Tanovic fragt: «Was sind wir für Menschen geworden?» Und er sagt: «Kein System ist unmenschlich, solange die Menschen gut sind.»
An Episode In The Life Of An Iron Picker
Regie: Danis Tanovic
Ab Do, 5.9., im Kino