Dieses Buch erzählt von der Unmöglichkeit des Autors, einen Liebesroman zu schreiben. Dazu tauge er nicht. Immer wieder, leitmotivisch, äussert sich Per Olov Enquist in neun «Gleichnis»-Kapiteln dazu. Und doch: Am Schluss liegt ein Liebesroman vor.
Alles nimmt mit einem rätselhaften Fund seinen Anfang. Ein Notizblock erreicht den Erzähler. Darin hatte sein Vater, den er nie gekannt hat, Liebesgedichte geschrieben. Der Sohn erhält 76 Jahre nach dem Tod des Vaters Kenntnis davon. Das Besondere daran: Es fehlen neun Blätter. Sie wurden herausgerissen. Die Liebesgedichte von damals dienen als Anstoss für ein eigenes neues Buch.
Ergänzte Biografie
Der Autor Per Olov Enquist erzählt hier von sich selber. Er nennt sogar einmal seinen Namen, die biografischen Eckdaten stimmen mit den tatsächlichen überein; etwa das Geburtsjahr 1934. «Das Buch der Gleichnisse» ist eine Ergänzung zum umfangreichen «Ein anderes Leben» von 2008. Darin schildert Enquist die eigene Biografie, er spart Bekenntnishaftes und Schmerzvolles nicht aus. Die Kindheit und Jugend als Angehöriger einer strenggläubigen, puritanischen Erweckungsbewegung im Norden Schwedens gehören ebenso dazu wie seine schwere Alkoholsucht.
Da wie dort, im früheren Buch wie im neuen, schreibt Enquist von sich in der dritten Person: Die Er-Form als Möglichkeit der Distanznahme. Er wird ganz konkret und persönlich, wenn er beispielsweise von einer ersten «Rettung» erzählt: «Seit dem 8. Februar 1990, als er zum letzten Mal geschnapst hatte (…), seit damals hat er jeden Tag, den er lebte, als ein Geschenk betrachtet.»
Der Roman ist Selbstbefragung und Selbstvergewisserung, bestehende Zweifel, die an Enquist nagen, werden ausgeräumt. Das Spannende ist der Weg dorthin, zu einem befreiten, fast möchte man sagen: glücklichen Menschen.
Der Sinn des Lebens
Da spielt die Liebe eine grosse Rolle. Oder besser: die Erotik. Das erste Mal ist es eine verbotene Sache. Die Frau aus Stockholm, die auf dem benachbarten Larsson-Hof die Ferien verbringt, führt ihn ein in das Geheimnis der Liebe. Er ist zu jener Zeit 15, sie 51 Jahre alt. Geschildert wird die schicksalhafte Begegnung im wunderbaren vierten Kapitel «Das Gleichnis von der Frau auf dem astfreien Kiefernholzboden». Was zwar verbotenerweise geschah, führt ihn zu einer schönen Erkenntnis: «Und er begriff jetzt, zum ersten Mal, was er zuvor geahnt hatte: Dies war tatsächlich der Sinn des Lebens. Er war durchgekommen. Dies war das Leben.»
Enquist schreibt Wahrhaftiges von sich und für die anderen: «Ich habe alles erzählt, wie es war. Begreifen müsst ihr es schon selbst.»
Per Olov Enquist
«Das Buch der Gleichnisse. Ein Liebesroman»
222 Seiten
(Hanser 2013).