«Ich möchte lieber nicht.» Diese Worte sorgen in der Arbeitswelt für Irritation. Denn der Job ist für viele Leute mehr als Geldverdienen, er stiftet Identität und Sinn. Wer viel leistet, bekommt Anerkennung.

Der Schreiber Bartleby aus Herman Melvilles Roman spielt dieses Spiel aber nicht mit. Bartleby tritt eine Stelle in einer Anwaltskanzlei an, lehnt jedoch bald jede Aufgabe höflich ab. Der deutsche Schriftsteller, Musiker und Theatermacher Rocko Schamoni holt die Figur nun gemeinsam mit dem Theater Basel aus der Zeit der Industrialisierung in die Gegenwart.

Künstliche Intelligenz übernimmt die Arbeit

Im Jahr 1853, als Herman Melville «Bartleby, der Schreiber» verfasste, habe es keine gesicherten Arbeitsbedingungen gegeben, sagt Schamoni im Gespräch. «Vielleicht war seine komplette Verweigerung die einzige Methode, sich gegen die Ausbeutung zur Wehr zu setzen.» Heute sei das anders. Schamoni und die Basler Compagnie beschäftigen sich schon lange mit dem Begriff New Work, mit dem Firmen um Angestellte buhlen.

Diese «neue Arbeit» hat flache Hierarchien, bietet Selbstverwirklichung und Freiheit, vermischt aber auch Job und Freizeit bis zur Unkenntlichkeit. Schamoni sagt: «Angestellte können in der New Work besser ausgebeutet werden.» Bartleby findet seine Arbeit nervig, gerade weil er sie mögen soll. Die Stückfassung «Immer Ärger mit Bartleby» von Rocko Schamoni kreist auch intensiv um künstliche Intelligenz. «Die wird ja heute schon eingesetzt, etwa um Projekte zusammenzufassen», sagt er.

«Diese Texte sind aber wirklich schlecht, haben weder Kraft noch Tiefe, und ich glaube, das bleibt auch noch eine Weile so.» Trotzdem denkt Schamoni, dass Algorithmen immer mehr Arbeiten von Menschen übernehmen werden. Konkret wird das im Stück etwa am Beispiel der Basler Pharmaindustrie.

Ein dystopisches Gedankenspiel

Schamoni sagt: «Es ist interessant, mit Bartleby über die Arbeit von morgen nachzudenken. Denn es stellt sich die Frage, ob es dann noch Arbeit gibt, gegen die er rebellieren kann.» In Melvilles Original ist Bartleby ein passiver Geselle. Erst will er nicht arbeiten, dann nicht mehr essen, schliesslich stirbt er. «Wir werden Bartlebys Geschichte komplett auf den Kopf stellen», sagt Schamoni.

Wie seine Rebellion in der Zukunft genau aussieht, will der Regisseur noch nicht sagen. Eines verrät er aber: Bartleby ist bei ihm eine Frau. Musikalisch untermalt wird das Stück von Post-Punk. Dieser passt zur düsteren Zukunft, die Schamoni zeichnet: «In 30 Jahren leben die Menschen in hermetisch abgeriegelten Blasen, kommunizieren nur noch mit künstlichen Intelligenzen, und ihr einziger Daseinszweck ist der Konsum. Vielleicht gibt es auch keine Kunst mehr.»

Schamoni räumt ein, dass die Zukunft noch nicht entschieden ist. «Aber beim Klimawandel wussten wir auch schon lange Bescheid und haben nichts getan. Warum sollte das bei der Arbeit anders sein?» Trotz oder vielleicht sogar wegen dieser pessimistischen Grundhaltung hat Schamoni Spass am dystopischen Gedankenspiel. «Am spannendsten sind für mich die Momente, in denen wir eine Zukunft beschreiben und merken: Das gibt es ja jetzt schon!»

Immer Ärger mit Bartleby
Premiere: Mi, 18.10., 19.30
Theater Basel