Textsammlung: Unbekannter Nobelpreisträger
Ein Buch mit Texten von und über Carl Spitteler beleuchtet seine Beziehung zu Luzern.
Inhalt
Kulturtipp 06/2014
Letzte Aktualisierung:
06.03.2014
Sibilla Bondolfi
«Wäre ich damals nicht nach Luzern gekommen, so könnten Sie heute keinen 70-Jährigen feiern», beschrieb Spitteler an seiner Geburtstagsfeier mit dramatischen Worten die Flucht aus dem beengenden Elternhaus in Liestal nach Luzern. «Man hätte einen 19-Jährigen begraben.»
Begraben wurde er glücklicherweise erst viel später – auf seinen eigenen Wunsch hin in Luzern. Die Stadt dankte ihm seine Ergebenheit wenig und hob das ...
«Wäre ich damals nicht nach Luzern gekommen, so könnten Sie heute keinen 70-Jährigen feiern», beschrieb Spitteler an seiner Geburtstagsfeier mit dramatischen Worten die Flucht aus dem beengenden Elternhaus in Liestal nach Luzern. «Man hätte einen 19-Jährigen begraben.»
Begraben wurde er glücklicherweise erst viel später – auf seinen eigenen Wunsch hin in Luzern. Die Stadt dankte ihm seine Ergebenheit wenig und hob das Grab 1974 kurzerhand auf. Der Schriftsteller Carl Spitteler (1845–1924) war in Vergessenheit geraten. Zwar wurde das Grab des einzigen Schweizer Literaturnobelpreisträgers nach öffentlichen Protesten wiederhergestellt. Doch zeigt der Vorfall, was heute noch zutrifft: Jeder kennt den Namen Carl Spitteler, sein Werk und Leben kümmern wenige.
Dies ändert auch die Lektüre des Buchs von Fritz Schaub, Präsident der Carl-Spitteler-Stiftung, nicht grundsätzlich. Die Neuauflage des Werks aus dem Jahr 1977 ist keine Biografie, sondern eine Sammlung von Texten: Nebst Essays von Spitteler selbst und Texten seiner Zeitgenossen über ihn, vereint Schaub eigene Kommentare und bis dahin unveröffentlichte historische Zeugnisse. Sogar ein heftiger Leserbriefwechsel aus Spittelers jungen Jahren über ein Oratorium ist abgedruckt. Abgerundet mit Gedichten, Bildern und Fotografien ergibt die Sammlung ein wunderbares Lesebuch – nicht nur über Spitteler, sondern auch über die Zentralschweiz.
32 Jahre in Luzern
Spitteler liebte Luzern, wo er 32 Jahre lebte. Das wird deutlich aus seinem Aufsatz «Luzern im Winter»: Mancher, der im September von Luzern scheide, stelle sich die aus Sehnsucht geborene Frage, wie wohl nach seinem Abschied das Leben am Vierwaldstättersee weiter verlaufen möge, schreibt er.
Einblick in seine Persönlichkeit geben Tagebucheinträge von Margaret Sachs, einer guten Freundin. Ihre Anekdoten zeigen, dass der grosse Schriftsteller auch einen besonderen Draht zur einfachen Luzerner Bevölkerung hatte.
Fritz Schaub
«Carl Spitteler», 180 Seiten
(Pro Libro 2013)