«Da gewinnst du einmal bei einer Tombola, ein Mal im Leben bist du der grosse Sieger, der König, und dann musst du zur Strof vier Nächte auswärts schlafen», beschwert sich der alte Mann in Camenischs neuem Roman. «Buah, huara steil», stöhnt er auf dem Weg zum Luxushotel, in dem er mit seiner Frau einen Aufenthalt gewonnen hat. Die beiden sind einfache Leute aus der Surselva, die zeitlebens hart gearbeitet haben. Während er lieber einen «Fresskorb» gewonnen hätte, freut sie sich über den Preis, der ihr einmal im Leben ein wenig Glamour ermöglicht. 

Doch er bleibt der ewige Nörgler, der stets das Gefühl hat, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Im Gespräch redet das Paar konstant aneinander vorbei. Beide schwelgen in ihren eigenen Erinnerungen. Ihre Ansichten zum Leben, zur Liebe und zum Tod sind komplett verschieden.
 
Ausgestattet mit Dächlikappe und Plastiksack, aus dem er vom «Kägifred» bis zur eigenen Grabrede alles Lebensnotwendige zieht, lässt er sich jammernd von ihr mitschleppen. Die Vögel sind ihm zu laut, die Leute im Lift sind «Paiasse». Und über den Autor an der Hotelbar-Lesung, in dem Camenisch sich selbst porträtiert, sagt er: «Eine Frisur wie ein Heuhaufen, du meine Güte.»  

Der griesgrämige Rentner könnte den Lesern gehörig auf den Geist gehen, wenn in Camenischs 47 dichten Bildern nicht überall der Schalk durchblitzen würde. Der im bündnerischen Tavanasa aufgewachsene 37-jährige Schriftsteller bleibt seiner bewährten Rezeptur treu: Skurrile Figuren mit ihren Lebensweisheiten, dazu der unvergleichliche Camenisch-Sound mit dialektalen Einsprengseln und einem zünftigen Schuss Melancholie und Tragikomik.

Roman
Arno Camenisch
«Die Kur»
96 Seiten
(Engeler 2015).