Nebel. Öde Landschaft. Schwebt ein Mann im Cape darüber. Aber nein, es ist nicht Dracula, sondern Augusto Pinochet der chilenische Diktator und Massenschlächter, der sein Land 1973 ins Verderben stürzte. Wie sollte man da nicht an einen Vampir denken? Der Spielfilm «El Conde», der auf Netflix zu sehen ist, versucht genau das: Pinochet, so behauptet eine weibliche Erzählstimme mit prononciert britischem Akzent, heisse eigentlich Claude Pinoche und sei während der Französischen Revolution in einem Pariser Waisenhaus aufgewachsen.

Später habe er das Blut von Marie Antoinettes Galgen geleckt. So kommt man auf den Geschmack. Aber dann sei er verschwunden, nur um Jahrzehnte später in Chile – «einer unbedeutenden Ecke in Südamerika, einem Land vaterloser Bauern» – seinen Kommandantendrang auszuleben. Es braucht schon Chuzpe, um eines der schwärzesten Kapitel Südamerikas mit so viel schwarzem Humor aufzuarbeiten. Regisseur Pablo Larraín, berühmt für weibliche Star-Biopics (zuletzt «Spencer» über Lady Di) gelingt das mit links.

Der Chilene hat schon mehrere Werke über Pinochet gedreht. Warum also dem alten Mann hier nicht eine Todessehnsucht zugestehen, wenn er nach 250 Jahren des Blutsaugens etwas müde ist? Dabei ist dieser Wunsch nur der Anfang einer süffig-verrückten Reise.

El Conde
Netflix