Ulzii (Battsooj Uurtsaikh) ist ein Teenager, der im Jurtenviertel der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator lebt, einem Niemandsland, das sich wie ein Ring um das urbane Zentrum schliesst. Als talentierter Schüler schreibt Ulzii in Physik hervorragende Prüfungen und wird deshalb von seinem Lehrer ermuntert, an nationalen Wettbewerben teilzunehmen, um ein Stipendium zu ergattern. Doch gerade als Ulzii sich ins Lernen vertiefen will, sagt sich die alkoholkranke, alleinerziehende Mutter von der Familie los, weil sie in der Stadt keine Arbeit findet.

«Wenn ich nur Winterschlaf halten könnte», das Spielfilmdebüt der mongolischen Regisseurin Zoljargal Purevdash, spielt in garstiger Umgebung. Das bekommt Ulzii zu spüren, der sich im klirrend kalten Winter um seine beiden jüngeren Geschwister kümmern muss. Das Geld ist knapp, bald reicht es nicht mehr für Essen und Kohle. Trotz gütigen Nachbarn bleibt dem Teenager keine Wahl. Er muss die Schule schwänzen, um mit illegalen Tätigkeiten über die Runden zu kommen.

Kein Wunder, dass sich sein jüngerer Bruder wünscht, in den titelgebenden Winterschlaf zu verfallen. Aufmüpfig und stolz das Überleben sichern Der Spielfilm war 2023 der erste mongolische Beitrag am Filmfestival in Cannes. Es geht um die Diskrepanz zwischen Stadt und Land, notabene auf einem Gebiet, das mehr als doppelt so gross wie der Kanton St.Gallen ist. Und es geht darum, wie man sich am Rand der Gesellschaft gegen den Abgrund stemmt und die Annahme von Hilfe nicht als Zeichen von Schwäche missdeutet.

Mag sein, dass der Film gar viele Problemfelder anreisst (Armut, Alkohol, Kriminalität, Luftverschmutzung), die dann nicht alle durchgespielt werden. Das Manko wird durch eine Hauptfigur aufgewogen, die sich mit Stolz und Aufmüpfigkeit ihren (Über-)Lebenswillen bewahrt.

Wenn ich nur Winterschlaf halten könnte
Regie: Zoljargal Purevdash
Mongolei/F/CH/Katar 2023, 98 Min.
Ab Do, 11.1., im Kino