Linda Vogel ist im Schuss. Gerade ging ein Pop-up-Projekt zu Ende, bei dem sie sich als Köchin engagierte – neben der Musik, ihrem eigentlichen Hauptgang. Bald erscheint ihr Debütalbum «Maps To Others», und die Harfenistin hat gross angerichtet. Die 30-jährige Musikerin holt immens mehr aus dem 5000 Jahre alten Instrument, als man sich vorstellen kann. «Ich wusste gar nicht, dass man mit der Harfe solche Sounds machen kann», hört Vogel denn auch oft.
Durch Effektgeräte verfremdete Klänge
Ihr «massives Möbel» sorge beim Auspacken erst mal für Staunen.Zwar dankbar im Auftritt, doch in den Möglichkeiten zu beschränkt für Vogel, die Harfe spielt, seit sie sechs ist. «Ich habe die Harfe gesehen, war fasziniert und wollte sie unbedingt spielen, und irgendwie blieb sie an mir kleben», sagt sie über das Ungetüm, das in der Teenie-Nirvana-Phase auch mal Staub fing.
Um das Klangspektrum zu erweitern, baute sie mit ihrem Bruder Lukas ein mechanisches Triggering-System: Mit dem Fusspedal kann sie nun den Computer steuern und schickt so elektrische Impulse zu hölzernen Hämmerchen an der Harfe, welche die Bass-Saiten anschlagen. Ein System, das ihr Bruder in ähnlicher Form für sein Elektro-Piano-Duo Grandbrothers entwickelt hat. Es verleiht den Songs Tiefe und lässt die klassische Harfe doppelt alt aussehen.
Linda Vogel spielt eine elektro-akustische Version des Instruments: Ähnlich einem E-Gitarristen jagt sie das Ausgangssignal durch Effektgeräte, um Klänge zu verfremden. Auf rein digitale Sounds verzichtet sie. Zu zentral ist das Haptische beim Komponieren; das unmittelbare Zupfen, Manipulieren, Pröbeln.
An der Musikhochschule Luzern, wo Vogel ihr Handwerk lernte, traf sie Drummer Vincent Glanzmann. Er liefert Beats für ihre Songskizzen, die voller Brüche sind: Mal bleiben die Klänge vibrierend in der Luft hängen, mal knallen Percussions und Bässe abrupt in den Magen. Zeitgenössische Klassik trifft auf Avant-Pop und elektronisch anmutende Elemente.
«Tuusig Millione» Harfenspuren habe man im Studio übereinandergelegt, übertreibt Vogel erfrischend. Tragend ist die Stimme der Musikerin selbst. Zwischen brüchig, selbstsicher und träumerisch hinterfragt sie etwa unsere Leistungsgesellschaft. Rhythmisch gesprochen, abgehackt gerappt, zart gesungen: Auch hier stecken Gegensätze drin. Und Poesie. Vogel hat ein Faible für Lyrik. Mal bleibt ein Zitat hängen, mal fliesst ein ganzes Gedicht ein: In «No Man Is An Island» rezitiert sie John Donne (1572–1631) über abstrakte Sounds. Entstanden sind die kleinen Klangkunstwerke in der Bretagne, in einem Haus am Meer. Finistère heisst die Gegend, weil sie am Ende der Welt liegt. Für den Schweizer Avant-Pop ist sie ein packender Anfang.
Konzerte
Fr, 26.4., 21.00 Helsinki Club Zürich (Plattentaufe)
Fr, 10.5., 20.00 Café Kairo Bern
Sa, 18.5., 19.00 Walzwerk Münchenstein BL
Do, 13.6., 19.00 B-Sides Festival Kriens LU
CD
Linda Vogel
Maps To Others
(Radicalis Music 2019)
Erhältlich ab Fr, 26.4.