Der Basler Mittelalterhistoriker Richard Merak wird in Konstanz tot aufgefunden. Am Jubiläumsanlass zu 600 Jahre Konzil hätte er das Hauptreferat halten sollen. Die Handschrift eines byzantinischen Gelehrten bildete das Fundament ­seiner Dissertation, die ihm eine akademische Karriere ermöglichte – im Gegensatz zu seinem alten bereits verstorbenen Weggefährten Hans Peterson, der es nicht schaffte. Die Fragen lauten: Hat Richard seine wissenschaftliche Karriere auf ­einer Fälschung aufgebaut? Basiert seine Existenz auf einer Lebenslüge? War ihm Hans auf die Schliche gekommen? Wie war das mit der Handschrift in der Stiftsbibliothek St. Gallen?
Roman-Protagonistin Laura ist Schriftstellerin (mit biografischen Parallelen zur Autorin Alioth). Sie und Richard waren 30 Jahre verheiratet, lebten aber schon eine Weile getrennt. Laura kommt aus dem Ausland zurück nach Basel. Auf eigene Faust geht sie den Ungereimtheiten nach. Ein Fazit ihrer Bemühungen: «Ein Toter und drei Geständnisse und keine Möglichkeit, sie zu überprüfen.»
Protagonisten sagen Sätze wie «Das Einzige, was die Basler nicht ertragen, ist, dass sie nicht einzigartig sind» oder «Es ist in Basel nicht üblich, sich etwas anmerken zu lassen». Dezent zeichnet Gabrielle Alioth ein kritisches Sittenbild des Basler «Daig». Der Roman ist als eine Art Wissenschaftskrimi auf eine unspektakuläre Art spannend, solid erzählt und profitiert vom gut getroffenen Lokal-Esprit.
 

Lesung mit Gabrielle Alioth
Sa, 12.11., 11.00 Altes Ober­stufenschulhaus Rüschlikon ZH

Gabrielle Alioth
«Die entwendete Handschrift» 224 Seiten (Lenos 2016).