Porträt «Ich suche die Abgründe»
Als Schauspieler kehrt Bruno Cathomas auf der Bühne seine Seele nach aussen. Nun führt er im Dialekt-Stück «Dr Madam ihre Mössiö» im Zürcher Theater Neumarkt Regie.
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Kulturtipp 07/2013
Babina Cathomen
Eben noch stand er im hautengen, brustfreien Leder-Kostüm als frivoler Oberon in Shakespeares «Sommernachtstraum» auf der Hamburger Thalia Bühne. 24 Stunden später sitzt Bruno Cathomas freundlich lächelnd im Zürcher Bahnhof Buffet und macht einen verletzlich-scheuen Eindruck. Ins Bett sei er erst um zehn Uhr morgens gekommen, meint er beim spätabendlichen Treffen und wirkt kein bisschen müde. Der Schauspieler ist sich das Leben auf der ...
Eben noch stand er im hautengen, brustfreien Leder-Kostüm als frivoler Oberon in Shakespeares «Sommernachtstraum» auf der Hamburger Thalia Bühne. 24 Stunden später sitzt Bruno Cathomas freundlich lächelnd im Zürcher Bahnhof Buffet und macht einen verletzlich-scheuen Eindruck. Ins Bett sei er erst um zehn Uhr morgens gekommen, meint er beim spätabendlichen Treffen und wirkt kein bisschen müde. Der Schauspieler ist sich das Leben auf der Überholspur gewöhnt. «Wenn ich wie gestern vor 1000 Leuten auf der Bühne stehe und Applaus bekomme, reicht das für mich zum Leben. Hobbys und Ferien brauche ich nicht», sagt der 47-Jährige.
Spiegel der Seele
Auf der Bühne wird er zum Berserker, der alles von sich preisgibt. «Um eine Rolle umzusetzen, versuche ich, an den tiefsten Punkt meiner Seele anzukommen und alle Ängste oder Allmachtsgefühle aus mir herauszuholen.» Schauspiel begreife er nicht als Maske, sondern als Spiegel seiner Seele. Kein Wunder, dass er nach einem Auftritt rund zwei Stunden braucht, um wieder aus dieser Tiefe herauszufinden und ansprechbar zu sein.
Bekannt für sein intensives Spiel, wird Cathomas auf der Bühne meist mit der Rolle von Mördern, Wahnsinnigen oder sonstigen Ausnahmefiguren betraut. «Den guten Helden zu spielen, ist für mich unglaublich anstrengend. Ich suche in jeder Rolle die Abgründe, das liegt mir mehr.» Beim Film, wo die Gesten weniger gross sind als auf der Bühne, sieht die Rollenbesetzung anders aus: «Dort werde ich selten als Psychotyp besetzt, weil ich so schöne Augen habe», sagt der Schauspieler selbstironisch und schaut treuherzig aus seinen dunklen Knopfaugen. So wird er in diesem Jahr etwa im Film «Recycling Lily» in der Rolle des verklemmten Müllinspektors über die Kinoleinwand flimmern.
Seit einigen Jahren ist Cathomas auch als Regisseur tätig.
Eines seiner speziellsten Projekte war die rätoromanische Version des «Sommernachtstraums», den er 2009 in seinem Bündner Heimatdorf Laax inszenierte. Dort hat in den 80ern auch seine Karriere begonnen.
Der grosse Schritt
Den Bühnendurst verspürte er zwar schon immer, doch erst nach einer Schlosserlehre und einer Rolle in der Laienschauspieltruppe wagte er sich an
die Schauspielschule in Zürich. Und schon bald arbeitete er mit Regiegrössen wie Frank Castorf oder Christoph Marthaler zusammen und wurde 1999 für seine Hauptrolle in «Viehjud Levi» für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Der Heimatlose
Inzwischen lebt der Bündner mit seinem Partner in Berlin und pendelt zwischen Hamburg und bald auch Köln, wo er ein neues Theaterengagement hat. «Ich bin heimatlos», sagt er. Für die Arbeit kehrt er aber gerne in die Schweiz zurück. Zurzeit führt er im Zürcher Theater Neumarkt Regie im Dialektstück «Dr Madam ihre Mössiö». Das Kammerspiel von Guy Krneta, in dem ein Ex-Ehepaar aus ärmlichen Verhältnissen seine Trennung resümiert, basiert auf einer Sozialreportage. «Natürlich haben beide ihre eigene Version, die Fehler liegen ja immer beim anderen – daraus entsteht die Tragikomik», sagt Cathomas.
In seiner Inszenierung legt er Wert auf die Sprache. «In Deutschland würde ich das Stück in einem viel härteren Tonfall inszenieren. Aber im Schweizer Dialekt gibt es mehr Möglichkeiten, Emotionen über Sprache oder einzelne Vokale auszudrücken.» Als Regisseur erwartet er vor allem eines von den Schauspielern: Authentizität – denn diese bietet schliesslich auch er selbst in schonungslosester Form auf der Bühne.