kulturtipp: Herr Suter, wie lässt sich eine Operette aus dem 19. Jahrhundert in der Fun-Gesellschaft umsetzen?
Paul Suter: Sie sollte bissig sein; die Operette wollte politisches Geschehen verarbeiten und aufs Korn nehmen.

Warum haben damals gut situierte Leute das Theater besucht? Um zu sehen, wie geldgierig sie sind oder wie verlogen sie in Beziehungen agieren?
Ich glaube, die merkten nicht, dass man ihnen einen Spiegel vorgehalten hatte. Diese Inszenierungen kamen ja auch ansprechend auf die Bühne – mit Tanzeinlagen, tollen Stimmen und einem üppigen Dekor.

Die haben Eintritt bezahlt, um sich angeifern zu lassen?
Exakt. Bei der «Csardasfürstin» 1915 in Wien haben allerdings Adelskreise protestiert, weil sie gemerkt haben, dass sie verhöhnt wurden.

Als Regisseur stehen Sie im Dilemma, eine leichtfüssige Inszenierung hinzukriegen, aber ohne Klamauk.
Klamauk ist gar nichts für mich. Mir gefällt schräger Humor, der nicht alltäglich rüberkommt, ohne verletzlich zu sein. Bei «Les Bavards» geht es um Leute, die zu viel reden, ohne zuzuhören. Das hat viel komisches Potenzial.

Wollen Sie diese Operetten in moderne Stücke umschreiben?
Die Dialoge vieler Operetten sind nicht mehr so spannend, weil sie sehr zeitbezogen waren. Also musste ich die Dialoge aktualisieren, um die Komik zu erhalten. Die Schauspieler tragen in «Trial by Jury» heutige Kleider, in «Les Bavards» treten sie im Stil der 50er-Jahre auf.

Sie inszenieren also Parodien auf die Parodie?
Eher auf die Wirklichkeit.

Halten Sie unser Justizsystem für derart deppert wie in «Trial by Jury»?
Nicht durchwegs, aber sie hat bizarre Aspekte.

Paul Suter
Nach Engagements als Regieassistent und Abendspielleiter am Grand Théâtre in Genf und dem Zürcher Opernhaus kam er in diesen Funktionen an die Opéra de Paris und die Bayerische Staatsoper in München. Seit 1987 inszenierte Paul Suter unter anderm in Biel, Solothurn, Bilbao, Dublin, Liège, Metz und Reykjavik.