Die Nachricht ereilt die besser gestellte Gesellschaft in Bukarest an einer Geburtstagsparty, wo man zu Gianna Nanninis «Creatura meravigliosa» tanzt: «Barbu hat ein Kind überfahren.» Barbu ist der erwachsene Sohn von Cornelia, die sich gleich in Hektik stürzt. Sie te­lefoniert, mischelt, versucht, ­einen Zeugen zu beeinflussen, zahlt Schmiergeld und besticht einen Polizisten, dem sie eine wohlwollende Expertise für das Baugesuch des Schwagers besorgt. Alles aus purer Mutterliebe, zum angeblichen Wohl des Sohnes. Er soll um jeden Preis einer drohenden Gefängnisstrafe entkommen.
Sie bemuttert ihn geradezu krankhaft. Dabei nutzt sie ihre privilegierte Stellung aus. Die Gesetzmässigkeit lautet: Mit Geld und Beziehungen lässt es sich richten. Und alles ist käuflich: Unschuld ebenso wie die Liebe eines Sohnes. So ist der neue Film von Calin Peter ­Netzer eine kritische Reflexion der postsozialistischen rumänischen Gesellschaft, in der sich die Oberschicht in einem korrupten System gemütlich eingerichtet hat.

Das Ein und Alles

«Child’s Pose» ist aber auch die Geschichte einer Mutter (Luminita Gheorghiu), die es zu gut meint mit ihrem Sohn. Barbu (Bogdan Dumitrache) ist ihr Ein und Alles. Er, der mit seinem Fall der fahrlässigen Tötung nur schwer umgehen kann, möchte sich endlich von der mütterlichen Umklammerung lösen. Er findet harsche Worte gegenüber der Mutter: «Such dir doch einen Ersatz, ­einen Hund, einen Geliebten, ein Hobby.» Sie aber macht unbeirrt weiter. Sie hat Geld dabei, als sie die Opferfamilie in ihrer ärmlichen Behausung besucht. Und die Mutter spricht die «tröstenden» Worte, die Familie mit mehreren Kindern habe ja «nur» eines verloren. In der Schlusssequenz scheint sich Barbu endlich von seiner Übermutter zu emanzipieren.
«Child’s Pose» wurde an der diesjährigen Berlinale mit dem Hauptpreis Goldener Bär ausgezeichnet.

Child’s Pose (Mutter & Sohn)
Regie: Calin Peter Netzer
Ab Do, 27.6., im Kino