Nach der Apokalypse bleibt die Natur – und die Dichtung. Rolf Hermann entwirft in seinem neuen Gedichtband eine verwilderte Landschaft im ­urbanen Raum. Ausgangspunkt für sein Langgedicht waren vier Gedichtzyklen, die der Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926) im Château Muzot im Wallis auf Französisch geschrieben hatte. Hermann wählt ein experimen­telles Verfahren: Er hat die Gedichte des Romantikers mittels Übersetzungsprogrammen im Internet aus den verschiedenen Sprachen, mit denen Rilke auf seinen Reisen in Berührung gekommen ist, ins Deutsche übertragen. «So kam der Zufall ins Spiel. Rilkes Ausgangstexte wurden radikal verfremdet, und es stellte sich eine Distanz zu ihnen ein, die es mir ermöglichte, mich ihnen frei und kreativ zu nähern», erklärte der in Biel lebende Walliser Autor in einem Interview. Mit Sprachspielen und intuitiven Assoziationen setzt er sich mit Rilkes Gedichten auseinander und schafft daraus einen ganz eigenen Text, mit dem er «die Sinnlichkeit und die Verletzlichkeit der Welt in Worten erfahrbar machen will».

Rolf Hermann  
In der Nahaufnahme ­verwildern wir
(Der gesunde ­Menschenversand 2021)