Es mag erstaunen, dass heute noch diskografische Lücken geschlossen werden können. Solches gelingt der luxemburgischen Pianistin Sabine Weyer mit der Einspie­-lung von Sonaten des Russen Nikolai ­Mias­kov­sky (1881–1950). Dessen gefühls­intensive Klavierwerke kamen im jungen 20. Jahrhundert gut an, gingen später aber teil­weise vergessen. Weyer kombiniert drei davon mit zwei Sonaten und einer Fantasie des Franzosen Nicolas Bacri (*1961), der sich von seinem Vornamens-Vetter inspirieren liess. Erstaunlich, denn Miaskovsky galt nie als Avantgardist, Bacri aber zählt zu den experimentellen Stimmen der Gegenwart. Miaskovsky wie Bacri bringen mit formaler Expressivität ihre hochsensiblen Innenwelten zum Klingen. Ihre Musik ­ist getragen von einer melancholischen Grundhaltung, die über weite Spannungsbögen zu dramatischen Entladungen führt. Diese Wesens-Verwandtschaft bringt die 32-jährige Pianistin Weyer nun zum Ausdruck.

Sabine Weyer
Mysteries. 
Miaskovsky, Bacri
(Ars Produktion 2021)