«Ich bin ja kein Rassist», behauptet Franz Muller im ersten Satz des Buches und gibt damit das Thema vor. Wenige Zeilen später macht es Plopp, Plopp, Plopp. Kugeln prasseln nieder, töten einen Saatgut-Vertreter. Andere retten sich in ein Haus: Muller, seine Familie, ein paar schwarze Arbeiter und Handwerker, ein zufällig anwesender Polizist sowie die religiöse Freundin von Mullers Frau. Die gesichtslosen Schützen lauern in der Dunkelheit.

Verschiedene Welten

Der deutsche Autor Max Annas lebt heute in Südafrika. Er berichtet auf rasanten 188 Seiten von einer neunstündigen Belagerung. Er erzählt aber vor allem eine Geschichte, wie sie sich oft am Kap zuträgt: Gangster überfallen entlegene Farmen, rauben, morden. Die Regierung spielt herunter, dass sie die weissen Farmer nicht schützen kann oder will und die Besitzverhältnisse im Land seit der Apartheid im Kern unverändert geblieben sind.

Annas orientiert sich an filmischen Vorbildern wie Howard Hawkes’ «Rio Bravo». Er erzählt im Protokollstil, die Abschnitte messerscharf geschnitten. Jeder Teil schildert die Belagerung aus der Perspektive eines Beteiligten. Der Blick ins Innere der Protagonisten zeigt, dass Weisse und Schwarze im selben Land, aber in anderen Welten leben und es nur einen Funken braucht, um ihren Hass zu entzünden. 

Je länger die Nacht dauert, desto mehr weicht die alte Ordnung der Farm einem neuen sozialdarwinistischen Kampf. Der korrupte Polizist will nur seine Haut retten. Die Tsotsis (Gangster) aus den Townships schiessen auf jeden, ohne der Beute näher zu kommen. Polizisten stolpern irgendwann ins Schussfeld. Selbst die Farben-Ordnung verwischt: Die weisse Betschwester erweist sich am Ende als Einzige, die taff genug ist, das Richtige zu tun. Mit dem Gewehr wagt sie mit dem schwarzen Vorarbeiter den Ausbruch. Im Dreck bietet sie ihm das Du und ihr Vertrauen an – ein Lichtblick inmitten der Nacht.     

Buch
Max Annas
«Die Farm»
188 Seiten
(Diaphanes 2014).