Verdunstung in der Randzone» ist ein sehr persönliches und referenzielles Buch. Aus der IchPerspektive geschrieben, greift es inhaltlich auf Gespräche, Erinnerungen, Fotos sowie zahlreiche kulturelle Bezugssysteme zurück.

Grundthema ist die Entfremdung des 1980 geborenen Ich-Erzählers und Bildungsaufsteigers gegenüber den eigenen Eltern und Geschwistern. Seine Familie ist dem Arbeitermilieu verhaftet, hat eine Gastwirtschaft in Bayern geführt. «Ich habe mich von da, wo ich herkomme, entfernt. Und doch bleibe ich da, wo ich jetzt bin, ein Fremder», hält Matusko fest.

Eine Textsammlung wie ein buntes Puzzle

In jedem der zehn Kapitel arbeitet sich der Autor und Journalist kritisch und mit dem genauen Blick eines Soziologen am eigenen Leben ab, versucht den Kern herauszuarbeiten, wie er zum dem geworden ist, der er heute ist: «Mit jedem Text, der sich meinen Eltern nähert, den ich über sie schreibe, wird der Abstand zwischen ihnen und mir grösser.» Die Machart dieses literarischen Essaybandes ist originell, weil Matusko mit schnellen Schnitten und Sprüngen arbeitet. So endet immer wieder ein Gedanke oder eine Szene, nur um ein paar Seiten später erneut aufgenommen und mit dem Rest verknüpft zu werden.

Insofern ist das Buch eine Ansammlung von Kleintexten, die sich stets aufeinander beziehen und in Resonanz zueinander stehen. Als studierter Soziologe greift Matusko immer wieder auf Zitate zurück, die den Blick auf die soziale Wirklichkeit schärfen. Vor allem der französische Soziologe Pierre Bourdieu (1930–2002) wird von ihm gern angeführt.

Es ist erstaunlich, wie organisch diese Textsammlung als Ganzes daherkommt. Die einzelnen Absätze und Textpartikel lassen sich wie ein buntes Puzzle zusammenlegen. Das Fragmentarische ist hier auf kluge Weise montiert. Wer sich für Themen wie Klasse und Herkunft interessiert, ist mit diesem Buch bestens bedient.

Buch
Ilija Matusko
Verdunstung in
der Randzone
238 Seiten
(Suhrkamp 2023)