Im Restaurant singen der kleine Tori (Pablo Schils) und die ältere Lokita (Joely Mbundu) zur Unterhaltung der Gäste das volksliedhafte «Alla fiera dell’ est» von Angelo Branduardi. Sie hätten es auf ihrer Flucht auf Sizilien gelernt, erklärt Lokita dem Publikum.

Das Lied ist auch der Klingelton auf den Handys der beiden, eine Art Erkennungsmelodie. In der Küche müssen sie die Telefone deponieren. Denn in ihrem vom Restaurantkoch in Belgien organisierten «Nebenjob» geht es um Drogenhandel. Tori und Lokita müssen bestellte Ware bei den Kunden ausliefern. Sie brauchen das Geld. Damit soll Lokitas Mutter zu Hause in Benin den Geschwistern den Schulbesuch ermöglichen. Und da ist vor allem noch die grosse Geldsumme, die sie ihren Schleppern schulden.

Im System der Ausbeutung gefangen
Sind Tori und Lokita Bruder und Schwester oder einfach in liebevoller Freundschaft verbunden? Die Einwanderungsbehörde hat Zweifel an ihrer Verwandtschaft. Lokita muss bei den Anhörungen Beweise liefern. Tori hat seine Papiere bereits.

Die Geldfrage bleibt so oder so. Es kommt so weit, dass Lokita zum Abarbeiten der Schulden gezwungen wird, eine geheime Hanfplantage zu bewirtschaften. Dort wird sie nicht nur von Tori besucht, sondern auch von ihren Peinigern, die bei Gelegenheit missbräuchliche Gefälligkeiten verlangen. «Tori et Lokita» ist die Geschichte von zwei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, verloren und gefangen in der Fremde. Beide haben sich ein besseres Leben erhofft. Stattdessen sind sie in ein brutales System von Ausbeutung geraten. Ob ihnen der Ausweg gelingt? Die Antwort zeigt der Film mit zwei hervorragenden jungen Darstellern auf herzzerreissende Art. Die Altmeister Jean-Pierre und Luc Dardenne erzählen einmal mehr ein bewegendes Sozialdrama.

Tori et Lokita
Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne
F/BE 2022, 88 Minuten
Ab Do, 2.2., im Kino