Und auf einen Schlag ist alles weg, was ihm lieb war im Leben: seine Marie, das Kind in ihrem Bauch, die Berghütte. Eine Lawine hat das kurze Glück von Andreas Egger, der bereits einige Schicksalsschläge einstecken musste, zerstört. Der junge Mann, gespielt von Shootingstar Stefan Gorski, schreit seine Verzweiflung hinaus in die stille Berglandschaft.

Diese Szene ist einer der tragischen Höhepunkte im Film «Ein ganzes Leben», den Hans Steinbichler, deutscher Regisseur mit Solothurner Wurzeln, mit einem Budget von über acht Millionen Euro aufwendig inszeniert hat. Gedreht wurde die Geschichte, die im frühen 20. Jahrhundert beginnt, unter anderem in den Osttiroler Bergen auf 2500 Metern über Meer. Die Gebirgslandschaft kommt im Film eindrücklich zur Geltung und lässt den einzelnen Menschen klein und nichtig erscheinen, so gross seine Last auch sein mag.

Im Mittelpunkt steht der schweigsame Egger, der als Kind beim gottesfürchtigen, aber brutalen Patriarchen Kranzstocker (Andreas Lust) ackern muss. Ein wenig Wärme erfährt er nur von der alten Ahnl (Marianne Sägebrecht). Doch Egger ist zäh und arbeitet hart – und als junger Mann erhält er einen Job beim Bau der ersten Seilbahn im Tal und kann sich bald eine eigene Berghütte leisten. Das Glück scheint vollkommen, als er seiner grossen Liebe Marie (Julia Franz Richter) begegnet …

Erst gegen Ende halten die leisen Töne Einzug

Diese Geschichte rund um einen harten Arbeiteralltag, in dem nur vereinzelt Momente der Menschlichkeit aufscheinen, hatte der Wiener Robert Seethaler in seinem Roman auf zarte Weise geschildert. Der Film hält sich inhaltlich zwar eng an das Buch – dessen unaufgeregten Ton vermag er jedoch nur in wenigen Szenen zu treffen.

Eggers Leben wird mit Pathos und Wucht erzählt, sowohl durch Inszenierung und Musik als auch durch das theatrale Spiel von Stefan Gorski. Erst gegen Ende halten die leisen Töne Einzug, als Egger (im Alter überzeugend gespielt von August Zirner) trotz allen Entbehrungen mit einem zufriedenen Staunen zurückblickt. Passend ist die Langsamkeit, ohne schnelle Schnitte, die der damaligen Zeit entspricht.

In eindrücklichen Bildern schildert der Film die Industrialisierung der Bergregion über acht Jahrzehnte hinweg: Er zeigt, wie die Seilbahn, für deren Bau einige ihr Leben lassen mussten, die Elektrizität, Verkehr und Tourismus den Alltag der Menschen dauerhaft veränderten.

Ein ganzes Leben
Regie: Hans Steinbichler
A/D 2023, 115 Minuten
Ab Do, 9.11., im Kino