Es ist ein gewagtes Unterfangen, einen Thriller zu inszenieren, bei dem fast ausschliesslich die Hauptfigur vor der Kamera steht. Der Rest sind Stimmen am Telefon, Geräusche, Schattenbilder. Die bekannte italienische Hauptdarstellerin Asia Argento spricht als Agentin Anne viel Französisch, dazu Englisch und etwas Italienisch. Die ihr offensichtlich einst auch ganz intim verbundene Agentin Charlie (Jeanne Balibar) bleibt lange nur eine Stimme. Der Film spielt 2008.

Es ist Wahlzeit in den USA, und es gibt Intrigen gegen den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama. Schauplatz ist das winterliche Oberengadin zwischen St. Moritz und Pontresina. Anne hat sich aus dem Spionagegeschäft zurückgezogen und lebt allein in einer abgelegenen Hütte, ein Hund ist ihr einziger Gefährte. Da wird sie per Telefon als Agentin reaktiviert. Und sie stellt fest, dass ihr Haus verwanzt ist. Anne scheint von feindlichen Mächten bedroht, was sie schon mal zum Gewehr greifen lässt.

Das Diffuse steht der Spannung im Weg
Vieles bleibt in der Schwebe und undurchschaubar. Eindeutigkeit sucht man vergebens. Dafür setzt der Film auf Atmosphärisches, auf nächtliche Stimmungen. «Let Her Kill You» ist der Regieerstling des 1964 geborenen Franzosen Jérôme Dassier, der mit Didier Rouget das Drehbuch geschrieben hat. Ein Filmneuling ist Dassier nicht: Er blickt auf jahrelange Erfahrungen als Aufnahmeleiter und Regieassistent zurück, unter anderem für Agnès Varda, Jerzy Skolimowski und Barbet Schroeder.

Als Fan von Spionageromanen habe er sich bei seinem Filmdebüt für das Genre eines Agententhrillers entschieden, um in diesem Rahmen «über die Einsamkeit in der heutigen Zeit zu sprechen». Gelungen ist sein Unternehmen nicht ganz: Das Diffuse des Films steht der Spannung eines Thrillers manchmal im Weg.

Let Her Kill You (Seule)
Regie: Jérôme Dassier
CH/F 2023, 92 Minuten
Ab Do, 27.4., im Kino