Nichts, was mir zu tun einfiel, bereitete mir Freude. Und darum tat ich einfach irgendwas.» Mit diesen Worten lernen wir den namenlosen Helden der Geschichte kennen. Er weiss offenbar wenig mit sich anzufangen und entscheidet sich mehr oder weniger willkürlich, in sein Auto zu steigen, loszufahren, die Strasse links zu nehmen, dann rechts, bis er nach stundenlanger Autofahrt in einen Waldweg mit tiefen Fahrspuren einbiegt, diesen weiter- und weiterfährt, nur, um am Ende mit dem Wagen stecken zu bleiben.

Sein Tun ist ihm dabei stets ein Rätsel: «Was hatte ich bloss auf diesem Waldweg zu suchen. Warum bin ich auf den eingebogen. Was für ein Einfall ist das gewesen. Welchen Grund hatte ich dafür. Keinen.» Jon Fosse ist ein Sprachzauberer: Hochmusikalisch sind seine variierenden und gleichzeitig karg wirkenden Satzreihen, die durch ihr ständiges Umkreisen, Überdenken und Infragestellen dem Autor der Geschichte helfen, sowohl Figur als auch Thema in die Breite zu entfalten.

Insofern ist es eine ganz eigene literarische Technik, die er anwendet, egal, ob er Theaterstücke oder Romane schreibt. Seine Arbeitsweise fasst er so zusammen: «Wenn ich schreibe, interessiert mich überhaupt nicht, worüber ich schreibe. Schreiben ist für mich ein nahezu musikalischer Akt. Etwas sehr Formales. Ich versuche, eine Form zu kreieren, die so perfekt wie möglich ist.»

Mit wunderbar komponierten Dialogen
In der Erzählung «Ein Leuchten» bringt Fosse einmal mehr eine äusserst einprägsame Figur hervor, die sich durch ihre vollkommene Hilflosigkeit gegenüber dem Leben auszeichnet und sich aufgrund fragwürdiger Entscheidungen in eine lebensbedrohliche Situation hineinmanövriert. In einem dunklen Wald geht also dieser Mensch verloren und ist sich doch schon lange Zeit verloren gegangen.

So wandelt er einsam zwischen dicht stehenden Bäumen umher, sucht eine Lösung für seine heikle Lage, beobachtet die herabfallenden Schneeflocken und trifft auf die unterschiedlichsten Figuren, von denen er nicht einmal weiss, ob sie wirklich da sind oder seiner blossen Einbildung entspringen: eine leuchtende Gestalt, seine Eltern, ein Mann in einem schwarzen Anzug.

Besonders eindrücklich sind sowohl die wunderbar komponierten Dialoge zwischen den Figuren als auch die Offenlegung der Gedanken und Gefühle der Hauptfigur, etwa die innere Haltung gegenüber den Eltern: «Vielleicht sollte ich etwas zu ihnen sagen. Aber was soll ich sagen. Ich weiss wohl nicht, was ich sagen soll. Ich habe es nie gewusst, aber trotzdem muss etwas gesagt werden, oder vielleicht braucht gerade jetzt nichts gesagt zu werden.»

Das Mysteriöse schwingt in allem mit
Auf rund 80 Seiten gelingt Fosse ein literarisches Meisterwerk, das von seiner Machart her an Texte von Samuel Beckett und Filme von David Lynch erinnert. Das Mysteriöse schwingt in allem mit, ist Trägermaterial der Geschichte. Und so setzt Fosse auf kleinstem Raum eine wundersame Welt in Szene, deren aufscheinende Existenz auf tönernen Füssen steht.

Buch
Jon Fosse

Ein Leuchten
80 Seiten
(Rowohlt 2023)