Der Betrüger «Tartuffe» treibt die Familie des reichen Monsieur Orgon fast in den Ruin. Erst die Intervention der Staatsmacht verhindert die Katastrophe. Molière (1622–1673) entlarvte mit diesem Stück die scheinheiligen Kleriker und reaktionären Politiker seiner Zeit, die Neuerungen ablehnten. Das Stück ist so aktuell wie damals, wie Politiker ­aller Couleurs zeigen. Nur Politiker? 

«Tartuffe» lässt sich allgemeiner interpretieren: Die Diskrepanz zwischen Sein und Schein ist menschlich, nur tritt sie bei Politikern klarer zutage. So erschauert der Leser nicht nur ob der Bösartigkeit der Hauptfigur, Molières Figuren halten den Zuschauern vorallem auch die eigene Gutgläubigkeit vor Augen. Für den begüterten ­Orgon ist es einfacher, an das Gute in Tartuffe zu glauben, statt sich der Realität zu stellen. Auch das kennt man. So gesehen ist «Tartuffe» ein vergnüglicher Charakterspiegel.

Molière
«Tartuffe»  
Komödie in fünf Aufzügen
Uraufführung: 1664
Heute erhältlich bei Reclam.