Der US-Autor Truman Capote (1924–1984) hat hoch gepokert und ist tief gefallen. In der New Yorker High Society wurde er geächtet, nachdem er in seinem Romanfragment «Erhörte Gebete» (1975) all die Geheimnisse ­literarisch verarbeitet hatte, die ihm die feinen Damen am Pool oder bei Dinnerpartys anvertraut hatten. Seit seinem Hollywood-Erfolg «Frühstück bei Tiffany» (1961) galt Capote als eine Art Hofnarr unter den Reichen. Mit seiner bitterbösen Gesellschaftskritik in «Erhörte Gebete» hat er es dann aber so weit getrieben, dass es kein Zurück in die feine Gesellschaft mehr gab.

2012 ist von ihm in der «New York Public Library» der bisher unbekannte Text «Yachten und dergleichen» aufgetaucht. Es handelt sich dabei aber nicht, wie zuerst angenommen, um ein verschollenes Kapitel aus «Erhörte Gebete», sondern um eine Erzählung, die in dieser Zeit entstanden ist.

Von seicht bis bissig

Capote gibt sich darin ungewohnt harmlos. Er beschreibt die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt durch Griechenland und die Türkei. Der Ich-Erzähler, ein Hedonist wie er im Buche steht, freundet sich auf der luxuriösen Yacht mit Mrs. Williams an. Während sie nach dem Ankern jeweils unermüdlich ­«einen Haufen alter Steine» besichtigt, verlustiert er sich beim Schwimmen und Häppchen Essen in der Sonne. Bei einem Abstecher aufs türkische Festland landen sie mitten in einer Familienfeier und verbringen eine fröhliche Nacht.

Bissiger und gesellschaftskritischer sind hingegen die andern Erzählungen im Band. In der Geschichte «Wüste» unterhält die Protagonistin eine Affäre mit ihrem ehemaligen Psychoanalytiker – und das, obwohl sie seine «haarigen Fesseln» verachtet. Die eigentliche Tragik erschliesst sich aber erst nach und nach. Vor der Nähe mit ihrem eigenen Mann hat die Dame so viel Angst, dass sie ihm potenzielle Geliebte zuspielt, um selbst ihre Ruhe zu haben. Eine Wiederbegegnung mit Capote lohnt sich allemal: Seine Erzählungen sind unterhaltsam und gewähren einen tiefen Blick in menschliche Abgründe.

Truman Capote
«Yachten und ­dergleichen.
Erzählungen»
Neuausgabe mit einer bisher unveröffentlichten Erzählung bei Kein & Aber 2013.