Wir lernen den Protagonisten Till Kokorda kennen, als er mit seiner Mutter das berühmte Wiener Marianum besichtigt, das in Wirklichkeit Theresianum heisst, eine Schule, sagt man, wie Österreich: «akademisch mittelmässig, ambitionslos, aber trotzdem eingebildet». Eine Institution für Reiche und «Aristos», deren Kinder sich schon in der ersten Klasse im Gymnasium «so kleiden, wie sie es ihr restliches Leben über tun werden: in grüne Polohemden und braune Segelschuhe, rosa Polo­blusen und weisse Jeans».

Till weiss, dass er dort nicht hingehört, auch ist ihm die Internatsmauer nicht entgangen, Symbol der Unfreiheit seiner nächsten acht Jahre. Aber als Computerspiel-Freak sieht er die Welt als fantastische Benutzeroberfläche und möchte einfach bis zur Matura durchtauchen. Sein Klassenvorstand hat es jedoch auf ihn abgesehen – Professor Dolinar ist ein Despot der ­alten Schule, ein Gift und Galle spuckender Konservativer, für den der Niedergang der Literatur gleich nach Büchner beginnt und der im Deutschunterricht drei goldene Regeln befolgt: «nichts aus dem 20. Jahrhundert, keine Übersetzungen und nichts, was nicht als Reclamheft erhältlich ist.»

Wie der geschürzte Knoten sich löst, erzählt Tonio Schachinger mit spürbarer Lust an Ausschmückung, Pointen und dynamischen Dialogen. Ein kluges, höchst amüsantes und herz­erwärmendes Buch, für das der in Neu-Delhi geborene österreichische  Schriftsteller kürzlich den Deutschen Buchpreis erhalten hat.

Tonio Schachinger
Echtzeitalter

368 Seiten
(Rowohlt 2023)