Wenn es einen Wettbewerb für den Krimi mit den abenteuerlichsten Twists gäbe, wäre dem jüngsten Werk von Sebastian Fitzek ein Spitzenplatz sicher. Das hat vor allem mit seiner Heldin Marla Lindberg zu tun, die an Gesichtsblindheit – sie kann die Gesichter von Menschen nicht unterscheiden – und anderen Wahrnehmungsstörungen leidet. Jedenfalls diagnostiziert das ihr Psychiater. Dass er hier wieder eine knallharte Schiene fährt, macht Fitzek im Roman «Die Einladung» auf den ersten Seiten klar.

Da tötet sich ein 55-jähriger Mann im Frack vor den Augen eines 14-jährigen Mädchens auf bestialische Art. Und der Horror geht nahtlos weiter, wenn Marla als Kurierfahrerin in eine verwaiste Berliner Geburtsklinik gelockt wird, wo sie einen mutmasslichen Selbstmörder aus einem sogenannten Exit-Bag befreit – und dann selbst nur knapp mit dem Leben davonkommt. Es sind gewöhnungsbedürftige Garstigkeiten, die Fitzek hier ausbreitet, aber er tut das mit gutem Grund.

Seine Figuren sind traumatisierte oder gestörte Existenzen, die entweder mit ihrer Identitätsvernichtung oder mit neuer Identitätsfindung beschäftigt sind. Dass das nicht ohne Schmerzen geht, liegt auf der Hand. Insbesondere dann, wenn die Einzelgängerin Marla überraschend ihre Stelle beim Landeskriminalamt Berlin quittiert und einer Einladung zu einem Klassentreffen in den bayerischen Alpen folgt. Die ehemaligen Kameraden haben ihre Zimmer bereits bezogen, dennoch ist im abgelegenen Berghotel niemand zu sehen.

Solche atmosphärischen Szenen sind in «Die Einladung» süffig erzählt, Fans des Unheimlichen kommen auf ihre Kosten. Wer jedoch Wert auf Plausibilität legt, dürfte bei diesem Krimi arg ins Schleudern geraten.

Buch
Sebastian Fitzek
Die Einladung
384 Seiten
(Droemer Knaur 2023)