Wen reizt es nicht, einmal in einem dieser alten Hotelkästen zu logieren, die bei aller Baufälligkeit fünf Sterne auf der Plakette neben dem Eingangsportal präsentieren? Der Verfall beschränkt sich freilich meist nur auf die Fassade. Weit wackeliger kommen die Insassen dieser geschützten Räume daher, seien es Gäste oder Personal. Dies muss auch Massimo Capaul erfahren. Der Engadiner Ex-Polizist mit Ambitionen zum Amateurlandwirt wird in den edlen Kronenhof in Pontresina bestellt.

Dort liegt im Zimmer 605 ein Toter, der aber eines natürlichen Todes gestorben sei, wie der Hoteldirektor betont. Doch es fehle ein Koffer mit 200000 Franken. Capaul macht sich an die Ermittlungen, assistiert von seiner aufgeweckten Pflegetochter Lisa. Er lernt spannende Leute kennen – und eigenartige wie jenen Mann im Mantel, der rumsitzt und alles beobachtet.

Es sei ein Schriftsteller, der ein Buch über das Hotel schreibe, wird ihm mitgeteilt. Tim Krohn lässt grüssen, denn die genauen Beschreibungen der Pontresiner Hotelanlage lassen auf einen Rechercheaufenthalt schliessen. Der Fall an sich ist weit weniger spannend als die Beschreibung der Menschen im Hotel und der Bewohner des paradiesischen Hochtals, die schon in früheren Capaul-Krimis vorkamen. Vorkenntnisse sind zwar nicht nötig, aber hilfreich. Einmal mehr staunt man beim Lesen über die qualitativen Schwankungen der Sprache.

Tim Krohn, der sich in wunderbaren Büchern als Sprachartist bewiesen hat, ist ein nachlässiger Schnellschreiber, wenn er Krimis verfasst. Schade.

Buch
Gian Maria Calonder
Engadiner Nächte
121 Seiten
(Kampa 2023)