Noch einmal abgeschirmt vom Rest der Welt zusammen mit seiner Frau im Auto durch die Waschstrasse fahren, noch einmal einen Kinoabend zu zweit verbringen, Riesenrad fahren, mit seinem Sohn einen Komposthaufen anlegen: Es sind diese kleinen Dinge, die der 76-jährige Protagonist Martin in Bernhard Schlinks Roman noch unternehmen will, nachdem er von seinem Arzt erfahren hat, dass er in einem knappen halben Jahr sterben wird.

Nach dem ersten Schock richtet sich Martins Fokus auf seine 30 Jahre jüngere Frau Ulla und seinen sechsjährigen Sohn David. Wie kann er ihnen den Abschied erleichtern? Was kann er noch für seine Frau tun? Was will er seinem Sohn auf den Weg mitgeben? Martin, ein ehemaliger Professor für Rechtsgeschichte, beginnt, David Briefe zu schreiben. In ihnen will er seinem Sohn für später, wenn er selbst nicht mehr da ist, Gedankenanstösse geben zu «Gott, Liebe, Arbeit, Tod».

Der 79-jährige Jurist und Bestsellerautor Bernhard Schlink («Der Vorleser») ist bekannt für seine karge, schnörkellose Sprache. Auch das Thema Tod geht er im Roman mit dieser Nüchternheit an. Und seinen Protagonisten liegen die grossen Gefühlsausbrüche ebenfalls fern. So bleibt Martin angesichts des Todes meist beherrscht, und Ulla unterstützt ihren Mann zwar, aber lebt ihr eigenes Leben weiter.

Ein Leben, von dem Martin nicht alles weiss, wie sich herausstellen wird. Dennoch bringt Schlink auch eine zarte Komponente in seine Geschichte, etwa in den Vater-Sohn-Szenen, wenn die beiden über das Sterben sprechen. Und auch der dritte und letzte Teil, in dem Martin die Welt langsam abhandenkommt, während seine Liebsten ihn umsorgen, berührt in seiner Schlichtheit.

Buch
Bernhard Schlink

Das späte Leben
240 Seiten
(Diogenes 2023)