«Es ist natürlich wunderbar, als Bach-Spielerin bekannt zu sein – weil es keine grössere Musik gibt.» So rückt Angela Hewitt das Zitat zurecht: «Ich ärgere mich, wenn ich nur als Bach-Pianistin wahrgenommen werde.» Und gibt gerne zu, dass sie sich auch darüber freut: «Ich habe mein Leben mit Bach verbracht. Ich liebe es, seine Musik zu spielen. Aber: Ich habe auch so viel anderes gemacht.»
Einspielungen quer durch das Repertoire
Stimmt. Allein ihre diskografischen Taten sprechen eine deutliche Sprache: Da gibt es zahlreiche Einspielungen quer durch das Repertoire, von Couperin und Rameau über die Klaviertitanen Beethoven und Chopin oder Geheimtipps wie Granados und Fauré bis hin zu Messiaen und anderen zeitgenössischen Komponisten. Ihre Reise durch die Klaviersonaten von Beethoven ist bei Folge 6 angekommen und damit bald beendet, gleichzeitig widmet sie sich den über 500 Sonaten von Domenico Scarlatti – ohne den Anspruch, total alle einzuspielen.
Aber eben: Bach total, das gibt es ebenfalls von ihr. Das Klavierwerk von Bach bis zur letzten Note, hat sie ebenfalls aufgenommen, die «Goldberg-Variationen» 2015 bereits zum zweiten Mal. Für ihren Bach ist sie bekannt, weltweit. Und Bach spielt sie auch in Baden, in der ehemaligen Druckerei des «Badener Tagblatts», die heute als Veranstaltungs- und Kulturraum vielfältig genutzt wird: «Das Wohltemperierte Klavier» Band I.
Am 28. Juli 1958 wird Angela Hewitt in Kanada geboren. Sie entstammt einer Musikerfamilie: «Mein Vater war Organist in Ottawa. Seit meinem vierten Lebensjahr habe ich vermittelt bekommen, wie man Bach stilgerecht artikuliert: einen schönen Ton erschaffen, das richtige Timing wählen und die Dynamik.» Es ist so gesehen nur konsequent, dass sie 1985 den Internationalen Bach-Klavierwettbewerb in Toronto gewinnt. Zur selben Zeit aber hatte sich bereits herumgesprochen, dass ihr Interesse weit über Bach hinausgeht – auch wenn sie bis heute seine Musik als ihre «musikalische Herkunft» bezeichnet. Aber während ihrer Studienzeit beim französischen Pianisten Jean-Paul Sévilla in Ottawa war Hewitt im Grunde sogar noch bekannter für ihre Interpretationen von Werken aus der Romantik – Franz Liszt oder Robert Schumann. Die grosse h-Moll-Sonate von Liszt beherrschte sie früh, auf ihrer Website rechnet sie das Werk zu ihrer «All-Time Favourite Music».
Aber dann, 1985, kam sie nach Europa, spielte in London mit Trevor Pinnock und Roger Norrington, zwei glühenden Verfechtern der historisch informierten Originalklang-Bewegung. Eine völlig neue Welt, aufregend und anregend.
Aber Angela Hewitt warf nicht alles über Bord, was ihr bis dahin lieb gewesen war. Sie spielte Bach nicht auf dem Cembalo, kaufte keinen Hammerflügel, sondern suchte sich von diesen musikalischen Sichtweisen das aus, was ihr entsprach, und kombinierte es mit ihrem bisherigen musikalischen Kosmos: «Ich habe das Beste übernommen und auf das moderne Klavier übertragen. Ich reduzierte generell das Pedal in meinem Spiel, änderte Fingersätze oder die Tempi.»
Der Klang des modernen Flügels
Aber die technischen Möglichkeiten, die Anschlagskultur, den Klang des modernen Flügels, das alles wollte Hewitt nicht missen. Sie änderte bloss die Software: «Wenn ich Bach auf dem modernen Klavier spiele, denke ich an Barockorchester, Barockbögen, die Orgel, das Cembalo und an den damaligen Gesang. Das imitiere ich, und das Grossartige ist, dass man auf dem Klavier den menschlichen Gesang besser nachbilden kann als auf einem Cembalo.»
Nach einigen Jahren in Paris verlegte sie ihren Wohnsitz nach London, den sie heute mit Ottawa und Umbrien teilt, wo sie am Lago Trasimeno ein eigenes Musikfestival gegründet hat. Und 2003 ging sie auch in der Wahl ihres Instruments einen entscheidenden Schritt: Sie gewichtete die Leichtigkeit des Anschlags, die Klangfarben und die Nuancierungsmöglichkeiten des modernen Fazioli-Flügels höher als jene des altehrwürdigen Steinways.
Sensibilität im Gebrauch des Pedals
Seither gehört sie zur Fazioli-Familie und legt besonderes Augenmerk auf die Klanglichkeit und Sensibilität im Gebrauch des Pedals. Und auf die Gestaltung suggestiver Melodiebögen, von denen sie sagt, dass sie immer mehr Gewicht darauf lege. Die horizontalen Linien auch in den Mittelstimmen seien ihr immer wichtiger geworden im Vergleich zur Genauigkeit vertikaler, sprich: rhythmisch absolut präziser Einordnungen. Bei Bach hat sie das nicht gelernt, sondern wohl eher bei Messiaen. Aber es prägt ganz deutlich ihr Bach-Spiel von heute.
CDs
Domenico Scarlatti
Klaviersonaten Vol. II
(Hyperion 2017)
J.S. Bach
«Goldberg-Variationen»
(Hyperion 2016)
Beethoven
Klaviersonaten Vol. 6
(Hyperion 2016)
Konzert
J.S. Bach: Das Wohltemperierte Klavier, Band I
Do, 22.2., 19.30
Druckerei (Stadtturmstrasse 19)
Baden