Ein Argentinier doziert: «Tango, das ist Versuchung, Verführung, Herz und Seele, Leiden, Wut, Schwäche, Feinfühligkeit, Erde und Blut – vor allem aber bedeutet er Freiheit.» Typisch Argentinier, möchte man meinen, nichts Besonderes. Wenn die Worte nicht von einem schweren Jungen hinter Gittern ausgesprochen würden. Er redet von «Milonga», einer rhythmisch fröhlicheren und leidenschaftlicheren Tango-Variante. Drinnen im Licht- und draussen im Spazierhof finden Massentanzkurse statt.
Initiator der Tanzorgie ist der Gefangene Fernand (Sergi López), der, zuerst gegen Widerstände, von einem namenlos bleibenden Argentinier das Tangotanzen lernen will. Damit er, wenn er dereinst rauskommt, gewappnet ist. Denn seine Frau Alice (Anne Paulicevich) besucht ­einen Tangokurs. Und ausgerechnet der Gefängniswärter JC ist ihr Tanzpartner. JC, wie alle den leicht verstockten, gewissenhaften Jean-Christophe (François Damiens) nennen, ist am Anfang noch ahnungslos. Ein Kontakt zwischen Wärter und Angehörigen eines Insassen ist verboten.

Verbandelungen

Alice besucht im Knast jeweils zwei Männer: Fernand und Dominic (Jan Hammenecker), der eine Ehemann, der andere ­Geliebter, untereinander beste Freunde. Der 15-jährige Antonio ist der Sohn von einem der beiden. Als er in der Schule ein Formular ausfüllen muss, schreibt er bei «Beruf des Vaters»: «tot». Es kommt zu Gefühls­chaos in dieser besonderen Konstellation von Eingesperrten und in Freiheit Lebenden, von privat und beruflich Verbandelten. Bis ein dramatischer Showdown mit offenem Ende überrascht.

Tango Libre
Regie: Frédéric Fonteyne
Ab Do, 27.6., im Kino