Sie warten ungeduldig auf ihren Freund, jagen einer Trambahn nach (weil sie darin die vermisste Frau vermuten) oder verdienen als Strassenmusiker ihr Geld. Die Autorin Ulrike Ulrich lässt den Leser in ihrem neuen Erzählband «Draussen um diese Zeit» mit den zum Teil skurrilen Situationen nicht allein. Sie vermittelt vielmehr Einblicke in die Gedankenwelt ihrer Figuren, entwickelt Emotionen, verdichtet sie zu Stimmungsbildern und Schicksalen. 

Urbane Ästhetik

Lebensläufe kreuzen sich, finden zusammen oder streben auseinander wie Sprachfäden: Ulrich erliegt keiner falschen Sozialromantik und hütet sich vor der Verklärung der Heimat-, Arbeits- oder Obdachlosen ebenso wie vor der Heroisierung ihrer Protagonisten. In der Öffentlichkeit begegnen sie einander, verpassen, verbünden oder küssen sich. Sie schliessen Wetten ab, glauben an Zufälle oder werden gemeinsam festgenommen. 

Diese Konstellationen verbinden eine faszinierende sprachliche Dichte sowie eine urbane Ästhetik. Ulrich spielt mit Assoziationen, wechselt zuweilen die Perspektive und bringt Schlagfertigkeit dort ein, wo sie am häufigsten auftritt: im Nachhinein. Ob der inhaltlichen Atemlosigkeit gerät die Sache gelegentlich etwas ins Trudeln oder stolpert – wie in der Auftakterzählung – über allzu viele Klammerbemerkungen. 

Ulrike Ulrich ist mehrfach preisgekrönt und seit kurzem mit Schweizer Pass unterwegs. Im Februar bricht sie erneut zu fremden Ufern auf: Man darf gespannt sein, welche Innen- und Aussenansichten sie vom Londoner Eastend mitbringt.

Buch
Ulrike Ulrich «Draussen um diese Zeit»
200 Seiten 
(Luftschacht 2015).