«Maul halten! Ordnung halten und durchhalten!» Dieser unmissverständliche Befehl prangte in der Werkstatt der sogenannten Mädchenerziehungsanstalt Lärchenheim im ausserrhodischen Lutzenberg über den hart arbeitenden 15bis 20-Jährigen. In solche Fabrikheime wurden Teenagerinnen auf behördliche Anordnung eingewiesen. «Obwohl gegen die Frauen nichts vorlag, wurden sie behandelt wie verurteilte Straftäterinnen», schreibt der Journalist Yves Demuth im Buch «Schweizer Zwangsarbeiterinnen».

Oft betraf es Töchter aus armen Familien, von Alleinerziehenden oder «Unehelichen». Sie schufteten ohne Lohn, bei einer Flucht drohten Strafen. Auf dieses dunkle Kapitel des Schweizer Sozialsystems gestossen ist Demuth, als er für den «Beobachter» über Emil Bührle recherchierte. Für dessen Textilfabrik wurden Zwangsarbeiterinnen aus dem firmeninternen «Marienheim» rekrutiert. Auch für andere Industrielle mussten zwischen 1941 und 1975 Hunderte Heimmädchen unter dem Deckmantel der «Fürsorge» gratis schuften.

Yves Demuth hat akribisch recherchiert, beim Bundesarchiv, das ihm zunächst konkrete Angaben verweigerte, hartnäckig nachgefragt und mit Betroffenen über ihre erschütternden Geschichten gesprochen. In seinem Buch leuchtet er die verschiedenen Aspekte der Zwangsarbeit aus. Besonders deutlich wird die von den Behörden verordnete Ausbeutung in den berührenden, persönlichen Geschichten der Frauen. Sie sind heute zwischen 64 und 87 Jahre alt und haben teilweise zum ersten Mal ihr Schweigen über das erlittene Unrecht gebrochen.

Buch
Yves Demuth - Schweizer Zwangsarbeiterinnen
200 Seiten (Beobachter 2023)