Diese Insel ist ein zauberhafter Ort, auch wenn sie von Trotteln und Bestien bevölkert wird.» Der sri-lankische Schriftsteller Shehan Karunatilaka verpackt in seinem zweiten Roman «Die sieben Monde des Maali Almeida» die grausame Geschichte seiner idyllischen Heimatinsel in eine auf kluge Weise unterhaltsame, ebenso magische wie tragische Erzählung – Krimi-Plot inklusive.

Im Jenseits wimmelt es von ruhelosen Seelen

Maali Almeida, ein zynischer Fotograf und Spieler, findet sich plötzlich im Jenseits wieder. Er will unbedingt herausfinden, wie er gestorben ist. Dafür hat er sieben Monde Zeit. Doch gleich zu Beginn trifft er in der Nachwelt auf eine undurchsichtige Bürokratie.

An einem Schalter für Verstorbene, die Fragen zu ihrem Tod haben, werden alle gleich brüsk behandelt: Extremisten und Terroristen, korrupte Polizisten und zwielichtige Politiker, verstümmelte alte Männer, misshandelte Frauen und Kinder. Die Behörde ist komplett überfordert, schliesslich kamen im sri-lankischen Bürgerkrieg zwischen 1983 und 2009 Zehntausende ums Leben. Im Jenseits wimmelt es von ruhelosen Seelen. Geister mit verwirrtem Blick, Dämonen mit roten Augen und Klauen.

Und das mächtigste dieser Wesen ist Mahakali, die «Verschlingerin der Seelen». Doch auch in der realen Welt gibt es Scheusale. «Nicht das Böse sollten wir fürchten. Sondern Geschöpfe mit Macht, die im eigenen Interesse handeln», warnt Maali. Der Antiheld, der an der Biografie des 1990 getöteten homosexuellen sri-lankischen Journalisten Richard de Zoysa angelehnt ist, blickt auf sein Leben zurück und erzählt davon in Rückblenden und sarkastischem Ton in der Du-Form.

Viele Anspielungen auf politische Verstrickungen

Die aufrüttelnde, mal leuchtende, mal düstere Erzählung, die zwischen Dies- und Jenseits spielt, lädt dazu ein, in die Geschichte Sri Lankas einzutauchen. Bunte Bilder im wuselnden Colombo wechseln sich mit blutigen Schreckensszenarien ab.

In seinem Roman gibt Shehan Karunatilaka den unzähligen anonymen Opfern des jahrzehntelangen Bürgerkriegs, in dem die zivile Bevölkerung der Gewalt der tamilischen Separatisten und den Todesschwadronen der Regierung gleichermassen hilflos ausgesetzt war, eine Stimme. Dafür verknüpft der 1975 im Süden Sri Lankas geborene und heute in Colombo lebende Autor historische Ereignisse mit einer fantasievollen Parallelwelt.

Reale Persönlichkeiten treffen auf fiktive Personen, hinzu kommen viele Anspielungen auf politische Verstrickungen und philosophische Betrachtungen über das Leben nach dem Tod, Verzeihen und Gerechtigkeit. Die vielen rivalisierenden Gruppierungen und Figuren, die mitunter an Samuel Becketts absurde, liebenswerte Charaktere erinnern, behindern streckenweise zwar den Lesefluss, dafür vermittelt die Lektüre einen spannenden Einblick in Sri Lankas bewegte Vergangenheit.

Ein Glossar am Ende listet relevante Begriffe und Personen auf – natürlich mitsamt den wichtigsten Geistern und Dämonen.

Buch
Shehan Karunatilaka
Die sieben Monde des Maali Almeida
Aus dem Englischen von Hannes Meyer
544 Seiten
(Rowohlt 2023)