«Das hier ist nur, damit keiner von euch jemals auf der Strasse was mit einem der anderen anfängt und sich verliebt oder Sex hat oder so was.» Mit dieser lapidaren Erklärung stellt Cyril Pennington seine fünf Kinder von vier unterschiedlichen Frauen einander vor.
Der in die Jahre gekommene Casanova kümmert sich mit mehr Hingabe um seinen goldenen Jeep als um seinen Nachwuchs und bezeichnet sich gern als «People Person». Er ist zwar offen und gesellig, aber auch ruhelos, egoistisch und ganz sicher kein verantwortungsbewusster Vater.
Das Ende einer Beziehung sorgt für Turbulenzen
In ihrem neuen Roman «People Person» denkt Candice Carty-Williams das klassische Konzept der Kernfamilie neu. Mit ihrem Debüt «Queenie» landete die britische Autorin, die selbst von einer alleinerziehenden Mutter grossgezogen wurde, vor zwei Jahren einen Bestseller.
Das kühne Erstlingswerk dreht sich um eine Londonerin, deren Leben nach einer Trennung aus dem Ruder läuft. Auch im neuen Buch steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die nach dem turbulenten Ende einer toxischen Beziehung in einen Strudel aus Ereignissen gerät, die ihren Alltag gehörig auf den Kopf stellen. Unterstützung erhält Dimple, die sich mehr von ihren Gefühlen als von ihrem Verstand leiten lässt, von ihren vier Halbgeschwistern Nikisha, Danny, Lizzie und Prynce.
Die fünf jungen Erwachsenen finden erst 16 Jahre nach der ungewöhnlichen Familienzusammenfüh- rung wieder zueinander, als ein dramatisches Ereignis sie enger zusammenschweisst, als ihnen lieb ist. Ähnlich wie «Queenie» ist auch der Nachfolger eine entwaffnende, kurzweilige Erzählung, die ernste Themen wie Rassismus und Polizeigewalt, die Probleme alleinerziehender Eltern sowie die Schattenseiten von Social Media sarkastisch beschreibt.
Relevante Themen, holprige Handlung
Aus einem anfänglich leichtfüssigen Krimi entwickelt sich eine brisante Gesellschaftskritik. Leider ist die Handlung streckenweise wenig glaubhaft, der Aufbau unstrukturiert. «Das Ganze kam mir ein bisschen wie bei EastEnders vor», kommentiert die überforderte Dimple einmal das Geschehen. Und tatsächlich erinnert die hanebüchene, holprige Handlung mitunter an den possenhaften Plot dieser britischen Vorabendserie, die seit den 1980ern ausgestrahlt wird.
Kulturelle Eigenheiten werden sichtbar
Dank lebhaften Dialogen schafft es die Autorin aber, den schwierigen Alltag und das chaotische Innenleben ihrer Protagonisten humorvoll aufzuzeigen. Auch wenn das jamaikanische Kreolisch durch die deutsche Übersetzung verloren geht, arbeitet Candice Carty-Williams die Identität schwarzer Menschen in England mit ihren vielen kulturellen Eigenheiten anhand von Sprache und anderen Details sorgfältig heraus und gewährt so spannende Einblicke in deren Lebensrealität.
Lässt man die befremdlichen Krimi-Elemente aussen vor, ist «People Person» ein unterhaltsames Porträt einer vielseitigen Patchworkfamilie, an dessen Ende auch der Vater Stellung beziehen muss.
Buch
Candice Carty-Williams - People Person
430 Seiten (Blumenbar 2022)