Jeder möchte leben wie ein König oder ein Fürst – Champagner inklusive. Diese Erkenntnis hatte die Witwe Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin in den Jahren vor der französischen Revolution. Die deutsche Autorin und Unternehmerin Marie-Luise Wolff setzt Clicquot nun mit ihrer fiktionalen Biografie «Die Unbeirrbare» ein kleines Denkmal mit dem Fazit: Wer von einer Idee überzeugt ist, darf sich davon nicht abbringen lassen. Selbst dann nicht, wenn das Scheitern unabwendbar erscheint.
An Expansion war nicht zu denken
Barbe-Nicole Ponsardin (1777–1866) wuchs in einer wohlhabenden Familie in Reims auf. Sie verliebte sich in ihren Nachbarn François Clicquot, heiratete ihn und führte mit ihm eine kleine Champagnerhandlung. Im 18. Jahrhundert war das mutiger, als man heute denkt. Denn das Wissen um die Herstellung und Lagerung dieses edlen Tropfens fehlte weitgehend.
Das Paar musste lange experimentieren: «Angereichert durch Zucker und Hefe, lässt Kohlensäure den Wein lebendig werden.» Doch die Berechnung der chemischen Reaktion war damals unbekannt. Mehr noch als die Geheimnisse der Herstellung belastete die Politik die expandierenden Geschäfte: Die französischen Revolutionäre hatten gar nichts mit Champagner am Hut, und die napoleonischen Kriege verhinderten später den Export: «Ein Handelsembargo für alle Küsten Europas bringt die internationalen Ambitionen der Firma ins Stocken.»
Kein Wunder, verabscheute Clicquot den Usurpator Napoleon abgrundtief und erkannte früh das Unglück, das er über Frankreich bringen sollte. Zu diesem Zeitpunkt war sie längst Witwe. Ihr Mann starb, als sie 27 war.
Der Glaube an die Wirkung eines Kometen
Mit dem Tod ihres Mannes stand sie vor der Entscheidung, den Laden einzustellen oder alleine weiterzumachen. Sie entschied sich für Letzteres und konnte sich dabei auf die Hilfe eines deutschen Handelsvertreters verlassen, der den europäischen Luxusmarkt kannte. Mit Unternehmermut und Risikobereitschaft schaffte sie den Durchbruch nach dem Ende der napoleonischen Schreckensherrschaft.
Sie wähnte das Glück stets auf ihrer Seite: So war sie sicher, dass das Jahr 1811 einen besonders spritzigen Champagner hervorbringen würde, weil ein Komet seine Laufbahn über den Himmel zog. Ihr Glaube bestärkte sie im Wagemut, Napoleons Kontinentalsperre heimlich zu umgehen. Die seinerzeit von den Clicquots angelegten Weinkellereien in Reims kann man heute noch besichtigen.
Die Tour führt durch ein Labyrinth kühler, aber trockener Tunnels im Kalkgestein. Diese verbinden die weitläufigen Gewölbe und Grotten, wo unzählige Champagnerflaschen lagern. Wohlhabende französische und britische Familien haben ganze Abteile für sich reserviert, auf dass ihnen ja niemand die besten Flaschen wegschnappen kann.
Anerkennung in ganz Europa
Marie-Luise Wolff hat einen Roman und keine Biografie geschrieben. So nimmt sie sich alle erzählerischen Freiheiten, um das Seelenleben ihrer Champagnerheldin auszuschmücken. Sicher ist, dass die Witwe über einen untrüglichen Geschäftssinn verfügte.
Im Jahr 1820 verkaufte sie allein in Russland 200 000 Flaschen Champagner: «Weniger werden es zu Lebzeiten von Nicole nicht mehr werden. » Dieser Erfolg brachte ihr Anerkennung im restlichen Europa. Offensichtlich ist der Wunsch, wie die Fürsten und Könige zu trinken, unersättlich.
Buch
Marie-Luise Wolff - Die Unbeirrbare
350 Seiten (Edition W 2022)