1961, als Bob Dylan in New York noch ein Unbekannter war, streunt der junge Llewyn Davis (Oscar Isaac) meist mit griesgrämigem Gesichtsausdruck durch die Strassen von Greenwich Village: Kein Wunder, für einen Wintermantel gegen die klirrende Kälte und für eine eigene Wohnung reicht das Geld nicht. Und das Chaos ist perfekt, als
er die Freundin seines besten Freundes schwängert und ihm der Kater eines befreundeten Akademikerpaars, bei dem er ab und zu auf der Couch unterkommt, entwischt.
«Alle Nicht-Künstler existieren bloss», wirft der smarte, aber launische Llewyn seiner Schwester vor, die sich im biederen Hausfrauenleben gut eingerichtet hat. Er selbst versucht, seinen Weg zwischen Kunst und Kommerz zu finden, wobei er für den Kommerz meist nur Verachtung übrig hat – was seinem Geldbeutel wiederum abträglich ist. Seine Platte «Inside Llewyn Davis» ist ein Ladenhüter, und mit Auftritten in kleinen Clubs schlägt er sich mehr schlecht als recht durch.
Endstation New York
Die Lage spitzt sich zu, als er sich bei einem Essen beim Professorenpaar vorgeführt fühlt: «Ich bin kein dressierter Hund. Ich bestreite damit mein Leben», sagt er, als er vor den Gästen auf seiner Gitarre spielen soll. Und als die Gastgeberin entsetzt entdeckt, dass der zurückgebrachte Kater in Wahrheit eine fremde Katze ist, eskaliert die Situation.
Llewyn verlässt die Wohnung fluchtartig und macht sich mit der verschmähten Katze auf dem Arm und in der Hoffnung auf einen Gig im bekannten Club Gate of Horn auf nach Chicago. Ein wortkarger Poet und ein drogenabhängiger Jazzmusiker begleiten ihn. Coen-Stammgast John Goodman spielt den Letzteren herrlich bizarr und lässt sich auf dem Road Trip in beleidigenden Tiraden über Folkmusiker aus; dazwischen versinkt er immer wieder im Delirium. Natürlich geht alles schief, und Llewyn strandet erneut in New York. «Ulysses» heisst denn auch der verschwundene Kater, wie das Publikum in einem augenzwinkernden Hinweis auf die Seelenverwandtschaft zwischen den beiden ziellos Herumstreunenden erfährt.
Soundtrack der 60er
Joel und Ethan Coens neuste Filmperle, die sich vage an der Biografie des fast vergessenen US-Sängers Dave Van Ronk (1936–2002) orientiert, lohnt sich allein schon wegen des Soundtracks. Oscar Isaac als Folksänger Llewyn sowie Carey Mulligan («The Great Gatsby») und Popstar Justin Timberlake als kommerzielleres Folk-Duo Jim & Jean überzeugen mit ihren Live-Gesangsauftritten. Der Musik wird in langen Konzert-Sequenzen viel Raum gelassen. Von den Coen-Brüdern, die bereits im Film «O Brother, Where Are Thou?» mit dem Odyssee-Motiv spielten und der traditionellen US-Musik frönten, hat man nichts anderes erwartet. Und wie meist heben sie sich durch absurde Einfälle und mit skurrilen Figuren hervor, die bis zum Neben-Darsteller sorgfältig besetzt sind. Die nostalgisch-verblichenen Bilder unterstreichen die melancholische Grundstimmung, welche die Folksongs der 60er durchzieht. Zu Recht hat der Film am diesjährigen Festival in Cannes den Grossen Preis der Jury erhalten.
Inside Llewyn Davis
Regie: Joel & Ethan Coen
Ab Do, 5.12., im Kino