Künstlerin Georgia Sagri und Anlageberaterin Josephin Varnholt
Eine tänzerische Installation
Eine griechische Künstlerin, die mit einer Schweizer Bankerin zusammenarbeitet, das wirkt im ersten Augenblick spannungsgeladen. Aber die Performancekünstlerin Georgia Sagri und die Anlageexpertin Josephin Varnholt von der Bank Julius Bär haben in langen Gesprächen zueinandergefunden. Sagri gestaltet mit der Finanzberaterin eine «Skulptur», eine tänzerische Installation, die sich mit der Berufswelt einer Frau auseinandersetzt. Das ist so abstrakt, wie es tönt. Denn Sagris Videoinstallationen bieten viel Raum für Interpretationen, sie sind so ausdrucksstark wie geheimnisvoll. Man lernte die in New York lebende Künstlerin in der Schweiz vor zwei Jahren in der Basler Kunsthalle mit der Ausstellung «Mona Lisa Effect» kennen. Die kunstaffine Bankerin Varnholt begegnete Sagris Arbeit zufälligerweise vor Jahren einmal in Istanbul. Sie näherte sich der Künstlerin dennoch vorsichtig an: «Georgia Sagri wollte mit einer Berufsfrau zusammenarbeiten.» Nun sieht Varnholt ihre Rolle bescheiden: Das Künstlerische liegt bei Sagri. Varnholt selbst, so darf man annehmen, beschränkt sich darauf, was sie am besten kann – die diskrete Beratung.
Künstler Evgeny Antufiev und Pfarrer Martin Rüsch
Kirche, Kunst, Natur
Ein riesiger Schmetterling ziert das Schiff der Zürcher Wasserkirche. Der 30-jährige sibirische Künstler Evgeny Antufiev hat diese Installation geschaffen; sie ist ein Teil seines Beitrags an der Biennale. Das Werk symbolisiert in seinen Worten «den Zusammenhang zwischen der Natur, der Kultur und der Spiritualität». Antufiev will an der Manifesta eine Art «Ewigen Garten» schaffen. Dieser Gedanke wiederum ist für Grossmünster-Pfarrer Martin Rüsch religiös kodiert: «Da finden Geschichtlichkeit oder Endlichkeit und Unendlichkeit zusammen.» Es entwickelte sich ein «spannendes, in verschiedene Richtungen wachsendes Zusammenspiel zwischen Künstler und Pfarrer», sagt Rüsch. Die Unterschiede zwischen der russisch-orthodoxen Glaubensrichtung und der zwinglianischen sind augenfällig: Sakrale Kultgegenstände wie Ikonen prägen das orthodoxe Interieur, da hat es für Gegenwartskunst keinen Platz. In protestantischen Gotteshäusern ist die zeitgenössische Kunst sehr wohl willkommen.
Installationskünstler Guillaume Bijl und Hundecoiffeuse Jacqueline Meier
Gefälschte Realität
Ein Kläffen ertönt beim Eintreten in den Hundesalon «Dolly». Jacqueline Meier beruhigt den Chihuahua und lädt inmitten von Hundebildern, -leinen und -halsbändern zum Kaffee. Die Hundecoiffeuse und -hortleiterin pflegt hier ihre Vierbeiner. Nun hält die Kunst Einzug. Der belgische Künstler Guillaume Bijl hat Meier für sein Projekt an der Manifesta 11 ausgesucht. Ihr Schaufenster mit dem Jack Russell und dem Grammophon sei Installationskunst, hat er ihr beim ersten Treffen gesagt. Derselbe Hund, inspiriert vom Logo des Musiklabels «His Master’s Voice», kommt in seinem eigenen Werk vor. Seit den 70ern arbeitet Bijl an der Serie «Transformations-Installationen», in der er Wirklichkeiten konstruiert. Indem er die Realität ironisch fälscht, will er sich kritisch mit dem Kulturtourismus auseinandersetzen. In einem Manifest hat er zur Abschaffung der Kunst-Institutionen aufgerufen und in deren Räume «gesellschaftsrelevante Angebote» eingerichtet – von der Fahrschule über den Supermarkt bis zum Atombunker. Für die Manifesta 11 entwickelt er die Idee weiter und gestaltet in der Galerie Grieder Contemporary einen Hundesalon nach dem Vorbild von «Dolly». Eine enge Zusammenarbeit habe aber nicht stattgefunden, sagt Meier. Sie hat eine Einrichtungs-Liste für den von der Biennale oder Documenta bekannten Bijl zusammengestellt. «Ich lasse mich überraschen, was er daraus macht.» Dazwischen wird sie selbst in der Galerie für Interaktion sorgen. Die Idee, den Hunden der Ausstellungsbesucher eine neue Frisur zu verpassen, war ihr aber zu heikel. «Im hektischen Ambiente werden die Tiere nervös.» Nun wird sie in der Galerie zu bestimmten Zeiten ihr bereits bekannte Hunde frisieren. Mit der Kunstszene hat sie nicht viel am Hut, aber sie lässt sich gerne auf Experimente ein. «Zwischen dem leicht verschrobenen 70-jährigen Künstler und mir liegen Welten», sagt die 49-Jährige. «Man kann es aber weiterspinnen: Aus einem Filzhaufen einen gepflegten Hund zu modellieren, ist auch eine Art Kunst.»
Künstler Maurizio Cattelan und Rollstuhlsportlerin Edith Wolf-Hunkeler
Ein Experiment mit unklarem Ausgang
Für gewöhnlich provoziert er mit lebensecht gestalteten Figuren. Nun will der bekannte italienische Künstler Maurizio Cattelan (56) die Schweizer Rollstuhl-Sportlerin Edith Wolf-Hunkeler (43) lebendig in Szene setzen. «Ich suchte nach einer Person, die sich im Rollstuhl auf Wasser wagt», mailt er aus New York, wo er lebt. Cattelan ist eine Leuchtfigur der internationalen Kunstszene, dessen Puppen des erschlagenen Papstes oder des kniefällig betenden Adolf Hitler für hitzige Diskussionen sorgen. Nun will er an der Manifesta eine lebende Person in einem Rollstuhl über das Zürichsee-Becken gleiten lassen. «Edith ist perfekt dafür», zeigt sich Cattelan überzeugt. «Ich bewundere ihre sportliche Art, extremen Herausforderungen zu begegnen.» Wolf-Hunkeler weiss nicht, was genau sie erwartet: «Es scheint eine einmalige Performance zu sein», bemerkt sie gelassen. «Ich liebe es, Herausforderungen anzunehmen und Menschen verstehen zu lernen.» Auch Maurizio Cattelan gibt sich zurückhaltend, betont aber, nicht provozieren, sondern sensibilisieren zu wollen. «Ein Rollstuhl erinnert an unsere umfassende Fragilität, gibt aber auch Zuversicht.» Sein Ziel sei es, «an inspiring image» zu kreieren, aber: «Es ist ein Experiment mit unklarem Ausgang.» Die Performance wird unangekündigt in den ersten Manifesta-Tagen geschehen. Sie wird filmisch oder fotografisch dokumentiert, Besucher können sie während der Manifesta im Löwenbräu-Kunstareal nacherleben.
Manifesta 11
Die Europäische Biennale für zeitgenössische Kunst
Sa, 11.6.–So, 18.9., Zürich
www.m11.manifesta.org