Belfast 1973: Ein Vater heisst seine kleine Tochter Zigaretten holen. Diese schickt ihrerseits den kleinen Bruder. Dann sind Schüsse zu hören, der kleine Bruder wird auf der Strasse getötet. Von einer verirrten Kugel, die aus einer britischen Armee-Waffe oder aus einer der militanten Untergrundorganisation Irish Republican Army IRA stammt.
London, 20 Jahre später: Eine Frau in der U-Bahn. Es ist die mittlerweile erwachsene Tochter von damals, Collette McVeigh (Andrea Riseborough). Auf einer Treppe lässt sie ihre Tasche stehen. Die Frau verschwindet über einen Fluchtweg, wird aber von den Polizeibehörden geschnappt. Ist das Attentat missglückt, weil die Zeitbombe nicht scharf eingestellt war?
Mac (Clive Owen), Agent des britischen Geheimdienstes MI5, nimmt sich der Attentäterin an. Er schlägt einen Deal vor, der die alleinerziehende Mutter aus Belfast in einen klassischen Gewissenskonflikt stürzt: Entweder 25 Jahre Gefängnis, Hunderte von Kilometern entfernt von ihrem kleinen Sohn, oder Spitzeldienste für die Engländer und Straffreiheit. Wie kann Collette das Dilemma lösen, das sie unmittelbar betrifft? Denn ihre Brüder Gerry und Connor gehören wie sie zur IRA. Wird Collette die politische Sache und die eigene Familie verraten? Wie sich herausstellt, muss es noch einen anderen «Shadow Dancer», einen Spitzel, geben. Die entsprechenden Akten in London sind unter Verschluss.
Es ist eine komplizierte Welt, und Collettes Lage scheint ausweglos. Die Option, Collette in einem Zeugenschutzprogramm aussteigen zu lassen, wird nicht zugelassen. Noch schlimmer: Die Bemühungen von Agent Mac um den Schutz von Collette werden von der MI5-Vorgesetzten Kate Fletcher (Gillian Anderson aus «X-Files») aus Gründen der Staatsräson hintertrieben.
Moralischer Thriller
Es wird eng für Collette und die Ihren – auf der einen Seite die englischen Behörden, auf der anderen die IRA-Chefs mit ihrem wachsenden Argwohn. Für Collette bleibt ein Leben in der Zerrissenheit, bis ein Gewaltakt allem scheinbar ein Ende bereitet.
«Shadow Dancer» ist ein Stück Zeitgeschichte, das als hand-fester moralischer Thriller daherkommt. Das Drehbuch stammt von Tom Bradby, der sein Romandebüt von 1998 für den Film adaptiert hat. Der Mann weiss, wovon er schreibt: In den 1990ern war er Nordirland-Korrespondent für den englischen Fernsehsender ITN.
Gedreht wurde übrigens nicht im nordirischen Belfast selber, sondern in Dublin. Der englische Regisseur James Marsh belegt mit «Shadow Dancer», dass er sich auch im Spielfilmfach bewähren kann. Bekannt geworden ist der 50-Jährige vor fünf Jahren mit einem Dokumentarfilm: «Man On Wire» gewann den Dokumentarfilm-Oscar.
Shadow Dancer
Regie: James Marsh
Ab Do, 8.8., im Kino