Natürlich wird er immer noch darauf angesprochen, auf den Film, der ihn berühmt gemacht hat: «Vitus» von Fredi M. Murer aus dem Jahr 2006. Da spielte Teo Gheorghiu den genialen Jungen, der blitzgescheit, raffiniert und musikalisch begabt ist, aber diese Talente lange vor seiner Familie und Umgebung verstecken kann. Mit einem gefeierten Auftritt in der Zürcher Tonhalle wird am Ende des Films der Bann gebrochen.
Es sei eine tolle Erfahrung gewesen, das sagt er heute noch, auch wenn er das Schauspielen seither nicht mehr gepflegt hat: «Würde ich nochmals in einem Film mitmachen, dann könnte ich nur mich selbst spielen. Damals habe ich drei Wochen ein bisschen Schauspielunterricht gehabt. Das Klavier aber bestimmt mein Leben, seit ich fünf bin. Ich hatte mich lange vor ‹Vitus› für die Musik entschieden, und das hat der Film überhaupt nicht geändert.»
Als Teenager selbst an Schule für Hochbegabte
Das Wunderkind, das er im Film spielt, ist er zwar selbst auch ein bisschen gewesen. Das reale Leben von Teo Gheorghiu aber ist deutlich anders verlaufen, und es hat auch einige turbulente Wendungen genommen. Er wurde 1992 in Männedorf am Zürichsee geboren. Seine Eltern waren in der Ceausescu-Ära aus Rumänien geflohen, hatten sich vorerst in Kanada, dann in der Schweiz niedergelassen. Als Teenager zog Teo nach London und wurde dort in der Purcell School für musikalisch Hochbegabte unterrichtet.
Danach hat er lange in London gelebt, die Kontakte zu Zürich aber immer behalten – wenn auch hauptsächlich für Ferien am See. Dann verliebte er sich, zuerst in eine Frau, dann in ihre Stadt: Fribourg, wo er heute lebt, Dozent ist und künstlerischer Leiter der «Société des Concerts de Fribourg». Aber natürlich ist er noch immer hauptsächlich Pianist und lebt für seine Auftritte und CD-Projekte.
Weite Reisen mit dem Velo als Inspiration
Seine Diskografie beginnt glamourös: Die Deutsche Grammophon bot ihm die Möglichkeit, das Klavierkonzert von Schumann aufzunehmen, das er im Film «Vitus» spielte. Das war die «Wunderkind»-Phase seiner Karriere, die er aber bald abstreifte. Verschiedene Lehrer begleiteten diesen Weg, nicht alle waren hilfreich, und ohne Krisen verlief das Erwachsenwerden nicht.
Die Leidenschaft für die Musik aber hat ihn nie verlassen, und eine andere Leidenschaft hat mitgeholfen, den Künstler in ihm zu formen: das Reisen. Nicht mit der Pilatus PC-6 des Grossvaters wie im «Vitus»-Film, sondern mit dem Fahrrad. 2017 war er von London aus aufgebrochen und über Frankreich und Spanien nach Marokko gefahren.
«Duende» hiess damals das musikalische Resultat dieser Reise, ein Wort, das nur schwer zu übersetzen ist: Für Teo ist es ein Wesenszustand, das Gefühl einer intensiven Verbundenheit mit der Natur, mit Hitze, Wind, Staub, Schweiss und Mühsal.Das alles hat er für die CD eingefangen in der Musik von Albéniz, Debussy, Granados oder De Falla, mit dem sublimierten Klang der Gitarren, der sich durch diese Klavierwerke zieht.
Pilgerfahrt nach Rumänien ans Grab des Vaters
2018 richtete Teo Gheorghiu den Blick nach Osten, nach Rumänien, das Land seiner Vorfahren. Sein Vater war dort gestorben, und wieder machte er mit dem Rennrad eine Reise – diesmal durch Deutschland, Österreich und Ungarn. Eine Pilgerfahrt zum Grab des Vaters, jedenfalls inszenierte er sich so für das Coverbild der CD: mit Stab und Kutte.
Ein «Urknall» sei es gewesen, der Verlust des Vaters, sagt Teo Gheorghiu: «Er hat mir den Blick in die Vergangenheit geöffnet. Ich bin mit neun von zu Hause weg, ich habe nicht so viele Erinnerungen. Ich sehe ihn, wie er gekocht hat, wie wir Schach gespielt haben.»
Die rumänischen Pianisten Radu Lupu und Dinu Lipatti waren schon lange seine pianistischen Vorbilder, die rumänische Volksmusik liess sein Herz höherschlagen. Aber sonst habe er kaum Verbindungen zu Rumänien gehabt. Die intensive Begegnung mit der Natur und der Landschaft auf dem Rad inspirierte ihn abermals zu einem Album: Auf «Roots» verband er die rumänische Rhapsodie von Enescu mit den rumänischen Volkstänzen von Bartók und den «Bildern einer Ausstellung» von Mussorgski.
Seine neueste, gerade erschienene CD fokussiert wieder auf ein gewöhnlicheres Repertoire: Er spielt zwei Klavierkonzerte von Mozart in der Reihe «Next Generation Mozart Soloists» der Zürcher Orpheum Stiftung: Die Nummer 3, ein Jugend- und Übungswerk von Mozart, in dem er Musik fremder Komponisten für sich auf das Klavier übertrug, und das reife Es-Dur-Konzert KV 449 mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Howard Griffiths.
Sein Konzert in Bern ist der Romantik gewidmet
Sein Gefühl für klug konzipierte Konzertprogramme beweist Teo Gheorghiu in seinem Rezital in Bern unter dem Titel «Morgen- und Abenddämmerung der Romantik». Tatsächlich begann mit Beethovens «Pathétique» und der improvisatorischen «Mondscheinsonate» das Zeitalter des genialen, selbstbewussten Künstlerkomponisten, während es bei einem nicht minder grossen Pianisten wie Rachmaninow mit höchst virtuoser Klavierkunst endete.
Beide Komponisten gehören zu Gheorghius Favoriten. Beethoven hätte er am liebsten über die Schultern geschaut, als er seine Sonaten komponierte, und die Bewunderung für Rachmaninow liegt in dessen Gabe, Kunst und Können zu verschmelzen: «Seine Musik ist äusserst geschmackvoll, aber gleichzeitig auch ein bisschen Hollywood.» Mit dem von ihm selbst bearbeiteten Adagio aus Ravels Klavierkonzert steuert Gheorghiu eine weitere meditative «Nachtmusik» bei und beendet das Konzert mit einer aus der Volksmusik des Kaukasus genährten Melodie von George Gurdjieff.
Konzert
Teo Gheorghiu spielt Beethoven, Rachmaninow, Ravel und Gurdjieff
Do, 13.3., 19.30 Casino Bern
Neueste Alben
Teo Gheorghiu
Roots
(Claves 2022)
W. A. Mozart
Klavierkonzerte Nr. 3 & 14
(Alpha 2025)