Nach Studien und ersten Berufsjahren als Regisseur in Berlin will Noam Brusilovsky, geboren als Sohn argentinischer Juden in Israel, Deutscher werden. Kein Problem, wird ihm beschieden, sobald er eine Liste von Dokumenten und Zeugnissen vorweisen könne. Darunter eine Bestätigung des Arbeitgebers. Seine Radioredaktorin will ihm diese beschaffen, falls er als Gegenleistung die Inszenierung eines «Faust»-Hörspiels von einem verstorbenen Kollegen übernimmt. Sein Problem: Er hat den «Faust» gar nie gelesen.

«Faust (hab’ ich nie gelesen)» heisst denn auch sein Hörspiel, dessen Einstieg wohl autobiografische Hintergründe hat. Was folgt, ist eine Mixtur aus gespielten Dialogen und Originaltönen. So treten nebst Schauspielern wie Bibiana Beglau oder Walter Kreye Brusilovskys einstige Professorinnen in Berlin auf, der Wikipedia-Autor des «Faust»-Eintrags oder die Übersetzerin des «Faust» ins Hebräische. Zudem fragt er Passanten in Berlin, ob sie den Klassiker gelesen haben. Viele winken ab. Die trefflichste Antwort liefert ein Mädchen, das seine Mutter kürzlich nach dem «Faust» gefragt hat und nun Bescheid weiss.

Brusilovsky, mit 33 schon mehrfach preisgekrönter Hörspiel- Regisseur, montiert all diese Elemente zu einer rasanten Collage und flicht zudem die Inszenierungsgeschichte des Stücks ein. So scherbeln aus historischer Ferne die Stimmen von Gustaf Gründgens oder gar Joseph Goebbels. Als Kontrapunkt betreibt Brusilovsky mit seinem einstigen Dramaturgie-Professor eine witzige «Goetheslästerung». Denn spricht der «Faust» tatsächlich aus der «deutschen Seele»? Und wie genau soll diese beschaffen sein?

Faust (hab’ ich nie gelesen)
Regie: Noam Brusilovsky
So, 27.11., 18.20 SWR 2