Chinesischer Alltag
Drei Regionen, drei Lebenswelten: Der Schweizer Dokumentarfilmer Luc Schaedler porträtiert in «Watermarks» Menschen im heutigen China.
Inhalt
Kulturtipp 23/2013
Urs Hangartner
Wasser steht im Titel. Wasser ist das visuell verbindende Motiv, nach dem der Film gestaltet ist. Wasser, das fliesst oder gestaut wird. Die Menschen im Film sind in ihrem Lebensalltag davon abhängig.
Erste Station ist eine Wüstensiedlung, wo das Wasser von weit her angekarrt wird: Mit einst 1000 Bewohnern ist sie seit bald drei Jahrzehnten verlassen. Ein alter Bauer und seine Frau sind als Einzige geblieben. «Wir bereuen, dass wir nicht gegangen sind.» Ihr Soh...
Wasser steht im Titel. Wasser ist das visuell verbindende Motiv, nach dem der Film gestaltet ist. Wasser, das fliesst oder gestaut wird. Die Menschen im Film sind in ihrem Lebensalltag davon abhängig.
Erste Station ist eine Wüstensiedlung, wo das Wasser von weit her angekarrt wird: Mit einst 1000 Bewohnern ist sie seit bald drei Jahrzehnten verlassen. Ein alter Bauer und seine Frau sind als Einzige geblieben. «Wir bereuen, dass wir nicht gegangen sind.» Ihr Sohn sieht es anders als die Eltern. Mit seiner jungen Frau und dem kleinen Kind lebt er als Wanderarbeiter mehrere Hundert Kilometer von seiner Heimat entfernt. Im Kohlebau verrichtet er ungesunde, staubige Arbeit. Er will zurück – «für mich ist Bauersein besser als das hier». Nüchtern äussert sich seine Frau zu ihren Perspektiven: «Ich muss realistisch bleiben. Ich habe keine Träume.»
Die Kulturrevolution
Zweite Station im Film ist ein entlegenes Reisbauerndorf in den Hügeln, wo die Geschichte unbewältigt geblieben ist. Während der Kulturrevolution (1966–1976) gab es hier Bücherverbrennungen und Exekutionen. Daran erinnern sich zwei Alte, die in unterschiedlichen politischen Lagern beheimatet waren – ein ehemaliger Landbesitzer und ein früherer Parteisekretär. Das Trauma von damals hält an.
Die dritte «Wassergeschichte» spielt in der 30-Millionen-Metropole Chongqing, durch die Chinas grösster Fluss fliesst, der Jangtsekiang. Hier liegt das Fischer- und Hausboot einer Familie, die seit Generationen am Fluss und vom Fluss lebt. Doch heute fehlen die Fische. Und die 19-jährige Tochter muss ihre Rolle in der Riesenstadt erst noch finden. Im Film sagt sie: «Ich träumte immer von einem anderen Leben.»
Drei unterschiedliche Lebenswelten, Menschen in ihrem Alltag in einem sich wandelnden Riesenreich: Dokumentarfilmer Luc Schaedler, von Haus aus Ethnologe, hat es mit viel Zeit und Geduld geschafft, erhellende Einblicke in heutige chinesische Verhältnisse zu gewinnen.
Watermarks
Regie: Luc Schaedler
Ab Do, 14.11., im Kino