Bitterböse Ironie in knappe Worte gefasst: «Jeder glaubt nur der Gewalt – jeder Mann hat Ideale – eins zwei drei vier.» Der Dichter Kurt Tucholsky schrieb diese Worte 1920 in seinem lyrischen Gesellschaftsbild «Das ist der Herzschlag», einer messerscharfen gesellschaftlichen Analyse der damaligen politischen Verhältnisse in Berlin. Tucholsky war damals Mitglied der USPD, einer linken Abspaltung der SPD, die ihm zu kleinbürgerlich erschien. Aber der Dichter wurde in dieser Partei nicht glücklich, so näherte er sich den Kommunisten an, bei denen er auch nicht heimisch wurde. Tucholsky blieb ein zwar linker, aber unabhängiger Geist, wie in seinen Gedichten immer wieder deutlich wird. Diese sind nun erstmals in einer Gesamtausgabe erschienen.

Der gebürtige Berliner war ein politisch leidenschaftlicher Mann, genauso heftig war sein Liebesleben. «So weit, so weit weg mag ich nicht immer bleiben, was nutzt Papier! Und nach dem allerletzten Feldpostschreiben bin ich bei Dir», schrieb er im Ersten Weltkrieg von der Ostfront an Mary Gerold, mit der ihn zeitlebens eine stürmische Beziehung verband: «Die Verse sind mir ausgegangen – Es ist so heiss. Ich habe nur ein lästerlich Verlangen nach Blond und Weiss.»

Einblick ins Leben

Der neue Band vermittelt einen umfassenden Einblick in das Leben des Dichters. Eine «Kleine Tucholsky-Chronik» erlaubt es, die Gedichte in den Lebenszusammenhang zu stellen. Erheiternd ist zudem ein Text von Erich Kästner, in dem er beschreibt, wie er «Tucho» in einem Hotel am Lago Maggiore begegnete. «Er teilte an der kleinen Schreibmaschine Florettstiche aus, Säbelhiebe, Faustschläge …» Alles im Kampf gegen die Nazis: «Ein kleiner dicker Berliner wollte mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten», resümiert Kästner.    

Buch
Petra Panter & Toby Tiger (Hrg.)
«Die Gedichte von Kurt Tucholsky»
1056 Seiten
(Haffmans 2015).