Ein witziger und charmant übersprudelnder Dostjoweski? Der russische Schriftsteller hatte tatsächlich eine komische Ader, wie die fünf Geschichten im Erzählband «Das Krokodil» beweisen.  In der titelgebenden Erzählung etwa fabuliert Dostojewski von einem eitlen Beamten, der bei einer Krokodil-Schau in St. Petersburg von dem Reptil namens Karlchen verschluckt wird. Während seine Frau «Aufschlitzen, aufschlitzen!» schreit, fürchtet der Krokodilbesitzer um Karlchens Leben – und vor allem um seine Einnahmequelle. 

Dem Beamten selbst ergeht es im Krokodilbauch nicht allzu schlecht, abgesehen vom Grössenwahn, der ihn übermannt: Er gedenkt, von dort aus gescheite Reden zur Weltverbesserung zu halten und berühmt zu werden. «Ob nun als Sokrates, als Diogenes oder als beide zusammen – das wird meine zukünftige Rolle für die Menschheit sein», ist er überzeugt. Und sein Freund schlägt vor, seinen Aufenthalt in den «Eingeweiden des Untiers» zu Geld zu machen und als Dienstzeit anzurechnen. 

Fjodor Dostojewski (1821–1881) reiht in dieser Geschichte einen grotesken Einfall an den nächsten – und liefert zugleich eine Parodie auf seine Zeit, auf den Materialismus, die Bürokratie oder die Zeitungen. 

Nicht alle Geschichten sind so komisch wie «Das Krokodil». In anderen dringt nebst dem sprühenden Witz die Tragikomik durch. Etwa in der Erzählung «Eine peinliche Geschichte» über Staatsrat Pralinski, der einer spontanen Eingebung folgt und in angesäuseltem Zustand die Hochzeit eines Untergebenen besucht. Dort trinkt man «bis zur Bewusstlosigkeit», und Pralinski verstrickt sich in diverse höchst peinliche Situationen – bis von seiner würdevollen Fassade nichts mehr übrig bleibt. 

Schon Thomas Mann hat Dostojewski als «ganz grossen Humoristen» bezeichnet. Von dieser anderen Seite zeugen nun die fünf eher unbekannten Erzählungen. Der Manesse Verlag gibt sie in einer gelungenen Neuübersetzung von Christiane Pöhlmann und mit einem Nachwort von Eckhard Henscheid heraus – im schicken Kroko-Kunstleder-Einband.

Fjodor Dostojewski
«Das Krokodil»
Ersterscheinung der Erzählungen: Zwischen 1847 und 1876 
Heute erhältlich bei Manesse.