Hätten sie sich gekannt, wären sie wohl als Wesensverwandte in die Musikergeschichte eingegangen. Doch Claude Debussy (1862–1918) und Friedrich Gulda (1930–2000) haben sich knapp verpasst, sodass der ­Wiener zum flammenden Verehrer des Parisers wurde. Beide sind Komponisten und Pianis­ten und haben musikalische Höchstleistungen vollbracht. Als epochal gilt Guldas Einspielung von Debussys «24 préludes» von 1969, die nun zum 100. Todestag Debussys neu her­ausgegeben wird.

Selten am Stück eingespielt, bilden die «Préludes» die Essenz von Debussys Musik kaleidoskopisch ab. Zum einen seinen musikalischen Bogenschlag vom 19. ins 20. Jahrhundert, von der Klassik zur Moderne, von Liszt zu Satie. Dann seine Liebe zu ­afroamerikanischen Rhythmen, ja zu den Blue Notes des Jazz, die etwa in den Préludes 5 («Les collines d’Anacapri») anklingen. Damit hat Debussy seinerseits Jazzmusiker wie Duke Ellington inspiriert. Oder eben Friedrich Gulda, der sich im Jazz ebenso heimisch fühlte wie in der Klassik. Für seine ­eigenen Kompositionen liess er sich vom lyrischen Impressionismus Debussys inspirieren. Diese hellhörige Nähe und – eben – Wesensverwandtschaft machte Gulda zum geborenen Debussy-­Interpreten, der die rhythmische und harmonische Experimentierfreude des Komponisten trefflich nachzeichnete.

Ebenso meisterhaft wie Guldas Interpretation war die «Préludes»-Aufnahme von 1969. Die Mikrofone wurden auf Guldas Wunsch hin im Innenraum des Flügels montiert, um der Musik eine räumliche Intensität und intime Nähe zu verleihen. Beim jetzigen Remastering wurde dieser analoge Ton beibehalten, wenn nicht gar vertieft. Kein Wunder, erscheint die Neuausgabe nebst CD auch als Doppel-LP.

CD/LP
Friedrich Gulda –Claude Debussy 
24 préludes 
(MPS 1969)
Neuausgabe als CD oder Doppel-LP (MPS 2018)