Das Schicksal schlägt zu. Die 50-jährige Raynor Winn und ihr Ehemann Moth verlieren ihren Bauernhof in Wales nach einer Fehlspekulation. Als sie ihr Heim räumen, erhält Moth die vernichtende Diagnose, dass er an der degenerativen Gehirnkrankheit CBD leidet, die nach ein paar Jahren zum Tod führt. Was nun?

Das Paar beschliesst mit rund 150 Franken im Sack, die südwestenglische Landspitze zu umwandern. Ausgangspunkt ist das malerische Städtchen Minehead im Norden der Grafschaft Devon. Von dort aus schaffen die beiden die Strecke bis nach Cornwall in zwei Sommern. Den Winter dazwischen überbrückt das Paar in der Scheune eines Freundes.

Für Zivilisationsmüde mag diese Wanderung nach ultimativer Erholung klingen, denn diese Landschaft packt jedermann. Nicht so zwei Ob­dachlose, die zum Marschieren gezwungen sind: «Ein ewiges Auf und Ab zwischen Ginster und Stein, stets begleitet vom Brausen des Meeres. Ein Rhythmus aus Qual und Hunger, Schmerz und Durst …» Dazu kommen die sozialen Stiche. Denn Wanderer pflegen sich auszutauschen – woher, wohin des Weges? Obdachlosen ist selbst dieser Small Talk peinlich.

Die Autorin versteht es mit Geschick, die Monotonie des Gehens mit witzigen Geschichten zu brechen, etwa wenn Dutzende von Marienkäfern auf ihren Beinen herumkrabbeln, weil Flugtag ist. Zwischen allen Erlebnissen webt Winn immer wieder Wissenswertes ein, etwa eine Übersicht über die stillgelegten Zinnminen in Cornwall.

Es bleibt die Frage, wie kommt der geschwächte Ehemann Moth auf diesem Trip zurecht? Er ist ein Kämpfer, auch wenn sein Krankheitsverlauf irreversibel ist.

Buch
Raynor Winn
Der Salzpfad
329 Seiten
(Dumont 2019)