Was für ein bewegtes Leben: Von ihrer Geburt an Königin von Schottland, wird Mary Stuart als Fünfjährige nach Frankreich geschickt, hier erzogen, mit 15 vermählt und – bis zum Tod des Gemahls François II. – kurz französische Königin. Mit 18 kehrt die katholische Mary nach Schottland zurück, das gespalten ist zwischen Katholiken und Protestanten. Königin Mary setzt sich gegen massive Widerstände für Toleranz unter den Glaubensrichtungen ein. Bis sie auf verlorenem Posten steht.
Die protestantische Elizabeth, Königin von England, erweist sich buchstäblich als Marys Todfeindin. Zum Verhängnis wird Mary letztlich ihre Ehe mit dem zwar protestantischen, aber loyalen Abenteurer Lord Bothwell. Sie gerät mit viel politischer Naivität in eine Falle ihrer protestantischen Widersacher.
Nach 19 Jahren Gefangenschaft endet Mary 1587 auf dem Schafott. Wie in Imbachs Film sind sich übrigens die zwei Gegenspielerinnen zeitlebens nie persönlich begegnet – Friedrich Schiller dagegen lässt Mary und Elizabeth in seinem bekannten Stück miteinander debattieren.
Regisseur Thomas Imbach hat sich als Filmer mit aussergewöhnlichen formalen Zugängen stets zwischen den Genres bewegt («Well Done», «Lenz»). Da überrascht es, dass er mit «Mary, Queen Of Scots» einen Kostümfilm drehte. Dem Historischen zwar ziemlich treu, verzichtet er auf die aufwendige Inszenierung von Hofprunk und auf auffällige visuelle Effekte. Vielmehr setzt sein Historiendrama auf Einfachheit: «Ich wollte mit der Reduktion arbeiten und ein kinematografisches Gefühl für das 16. Jahrhundert erzeugen.»
Schweiz als Drehort
Räumlich konzentriert sich «Mary, Queen Of Scots» auf Innenszenen (gedreht auf Schloss Chillon und in der Klosteranlage Maison du Prieur in Romainmôtier VD). Einige eindrückliche Landschaftsaufnahmen hat Imbach selber in Schottland gemacht. Sie funktionieren in ihrer rauen Schönheit als Seelenlandschaften, in denen sich Marys Befindlichkeit widerspiegelt.
Imbach interessierte sich vor allem für die psychologische Figur Königin Mary. Dafür orientierte er sich an der 1935 erschienenen Stuart-Biografie von Stefan Zweig. Imbach stellt eine Frau ins Zentrum, die sich inmitten von mächtigen oder machtlüsternen Männern ihren Eigensinn bewahrt, und von inneren Leidenschaften getrieben ist. Mit tragischen Folgen.
Die 1990 geborene, zweisprachige Schauspielerin Camille Rutherford ist eine Entdeckung: Ihre Mary spielt sie intensiv zwischen Fragilität und Bestimmtheit. Die Filmmusik musste nicht geschrieben werden. Ein Zufall hat Regisseur Imbach zur Musik für «Mary, Queen Of Scots» gebracht. Im Autoradio hörte er Musik der Russin Sofia Gubaidulina. Stücke dieser zeitgenössischen Komponistin bilden nun den Soundtrack zum Film.
Mary, Queen Of Scots
Regie: Thomas Imbach
Ab Do, 7.11., im Kino