Masslos und exzentrisch: So kennt die Leserschaft Amélie Nothomb. Die Bestsellerautorin lässt niemanden kalt, ihre Person und ihre makabren Bücher polarisieren. Meist tritt die in Paris lebende Autorin ganz in Schwarz und mit ausgefallener Hutkreation auf. Zu ihren Lesern hat sie eine enge Beziehung, ihre Fanbriefe beantwortet sie alle. Genau hier setzt der Roman an. Die Ich-Erzählerin – einmal mehr Nothomb selbst – erhält Post des US-Gefreiten Melvin aus Bagdad. Die Hoffnungslosigkeit äussert sich bei ihm und vielen seiner Kollegen durch Fettleibigkeit: «Man kann nicht sagen, dass wir gern so fressen, es ist stärker als wir, man könnte sich totfressen, und das ist es vielleicht, was man sucht», schreibt der 180 Kilo schwere Soldat.
Sein Gewicht ist für Melvin seine Art der Rebellion gegen die damalige Bush-Regierung und ein Schuldzugeständnis ans Töten: «Wir tragen unsere Schuld wenigstens ostentativ vor uns her.» Seinem Fett hat er den Namen einer Frau gegeben: Scheherazade. So weit, so schräg. Nothomb ist fasziniert und beginnt mit Melvin einen Briefwechsel. Sie schlägt ihm ein Body-Art-Projekt vor. «Ihr Fett ist ihr Werk. Damit können Sie auf der jüngsten Welle der modernen Kunst surfen», schreibt sie ihm nicht ohne Ironie zurück. Doch dann bricht der Kontakt ab. Nothomb stellt Nachforschungen an und fördert Erstaunliches zutage. Nichts ist so, wie es scheint …
Nothombs neustes Werk liest sich süffig – trotz des sperrigen, bewusst schrägen Inhalts. Die Autorin macht sich einmal mehr Gedanken zur Körperlichkeit, zur Selbstinszenierung und nicht zuletzt zum Lebenssinn. Und sie lässt tief blicken in ihr eigenes Verständnis des Künstler-Seins.

Amélie Nothomb
«So etwas wie ein Leben»
144 Seiten
Aus dem Fran­zösischen von ­Brigitte Grosse
(Diogenes 2013).