Klassik - «Ein Reich voller Risiko»
Kristian Bezuidenhout ist der originellste Hammerklavierspieler unserer Tage: Seine Liebe zu Mozart ist riesig, sein Pragmatismus modern.
Inhalt
Kulturtipp 05/2012
Christian Berzins
Exoten sind nicht mehr, was sie einmal waren: Da steht er, dieser erste und originellste unter den Hammerklavierkünstlern. Er blinzelt vor dem Luzerner KKL cool in die Sonne und drückt die Tasten seines iPhones. Kristian Bezuidenhout heisst er, ist 32 Jahre alt, einer der Gefragten seines Faches – und etwas mehr. Der Holländer beherrscht ein selten gehörtes Instrument, spielt CD um CD ein und gibt als Hammerflügelspieler oft Konzerte mit Orchestern. Trotz des 20...
Exoten sind nicht mehr, was sie einmal waren: Da steht er, dieser erste und originellste unter den Hammerklavierkünstlern. Er blinzelt vor dem Luzerner KKL cool in die Sonne und drückt die Tasten seines iPhones. Kristian Bezuidenhout heisst er, ist 32 Jahre alt, einer der Gefragten seines Faches – und etwas mehr. Der Holländer beherrscht ein selten gehörtes Instrument, spielt CD um CD ein und gibt als Hammerflügelspieler oft Konzerte mit Orchestern. Trotz des 20-jährigen Booms historischer Aufführungspraxis gibt es wenige Kollegen auf vergleichbarem Topniveau.
Bezuidenhouts Dilemma
Viele ziehen sich mit ihren Instrumenten lieber zurück in die Kammermusik, wo die Feinheiten ihres Spiels zum Tragen kommen. Schade, denn wer daneben Klavierkonzerte spielt, betritt eine andere Welt. «Ein Reich voller Risiko, Intensität und Spannung. Manche wollen diesen Stress nicht ständig erleben. Ich jedoch finde Klavierkonzerte das Allerbeste.» Dennoch kann er sich nicht erklären, warum er mit Robert Levin, Andreas Staier und Ronald Brautigam drei wichtige Wegbereiter hat – aber keine zehn jungen Konkurrenten.
Der Erfolg stürzt Bezuidenhout in ein Dilemma. Er spielt nämlich nicht nur mit Spezialistenensembles, sondern immer wieder mit traditionellen Orchestern – wie dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam. Bei einem solch renommierten Orchester tut er das pragmatisch auf dem modernen Steinway. Die Säle seien für den Klang seines Hammerflügels zu gross, die Orchester zu laut, die Erwartungshaltung der Zuhörer zu rigide.
Was könnten sie erleben, wenn sie an ihn und sein feines Instrument glauben würden? Mendelssohns Konzerte etwa, die bisher kaum einer spielen oder aufführen wollte, sind in seiner Aufnahme mit dem Freiburger Barockorchester eine Wucht.
Mit den Freiburgern wollte er sich «schon immer» zusammentun, denn der 10-jährige Kristian hatte gewaltige Träume: Er wollte Mozart spielen. «Beethoven kam überhaupt nicht infrage. Mozart war der einzige Grund vorwärtszugehen.» Spielen wollte er diese Musik einerseits auf dem Hammerflügel, andererseits mit einem Orchester – am besten dirigiert von John Eliot Gardiner und Philippe Herreweghe. Dafür tat Bezuidenhout alles – und erhielt alles.
Seine Begeisterung ist ungebremst. Er schwärmt von den Klassikhörern in Holland, achtet jene in Deutschland, bekennt dann aber, dass sein Instrument etwa für die Pariser immer noch etwas Neues sei: «Und in Italien fragen sie: ‹Oh, mein Gott, was ist das?!› Da treffe ich auf eine andere Welt. Der Klang ist für sie völlig neu – das ist fantastisch.»
Typisch Bezuidenhout: Er sieht in der Skepsis bereits ein keimendes Interesse. Solche Konzerte treiben ihn an, immer neue Geschichten auf seinem Instrument zu erzählen.
[CD]
Mozart: Klavierwerke,
1–3 (harmonia mundi 2010–2012).
Mendelssohn: Doppelkonzert und Klavierkonzert
harmonia mundi 2010.
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[CD]
Mozart: Sonaten für
Klavier und Violine
harmonia mundi 2009.
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