Die Affiche liest sich fulminant: Im Berner Kursaal treffen ein Koloss des afrok ubanischen Worldjazz, ein Wunderkind aus Fernost sowie ein Grenzgänger zwischen alter und neuer Welt aufeinander: Die drei Pianisten Chucho Valdés, Joey Alexander und Robi Botos sitzen zum Auftakt des Jazzfestivals Bern nacheinander mit ihren jeweiligen Trios auf der Bühne.
Chucho Valdés dürfte der Bekannteste sein. Der 75-jährige Kubaner gilt seit den frühen 60er-Jahren als Ikone des afrokubanischen Worldjazz. Als einstiger Leiter des legendären Musikclubs «Tropicana» und Gründer des Jazzfestivals in Havanna wird er von seinen Landsleuten verehrt. Mit dem Orquesta Cubana de Música Moderna, vor allem aber mit der Band Irakere trug Valdés den afrokubanischen Jazz in alle Welt hinaus.
Mit Energie und Ansteckungspotenzial
Seinen globalen Erfolg und seine Verbindungen liess er – ein Anhänger der kubanischen Revolution – wiederum seiner Heimat zugutekommen. Er lud Topmusiker ans Festival von Havanna ein und ermöglichte umgekehrt kubanischen Talenten den Weg in die internationalen Szenen. Valdés’ belebende Musik hat nichts an Energie und Ansteckungspotenzial verloren: Kürzlich hat er seinen sechsten Grammy-Award gewonnen.
Auch Robi Botos färbt seinen Jazz mit speziellen Koloraturen. 1978 in Budapest geboren und mit 20 nach Kanada ausgewandert, pendelt der Pianist bis heute zwischen musikalischen Welten. Zum einen wird er als Erbe seines Mentors Oscar Peterson (1925–2007) gehandelt, zum andern hat er den Puls der ungarischen Folklore und der europäischen Klassik in sich. All dies vermengt er zu einem farbenprächtigen Kammerjazz, der ihm in Nordamerika ebenso Gehör verschafft wie in Europa. Botos schreibt auch Filmmusik; eine Herzensangelegenheit war ihm der Soundtrack zum Dokfilm «A People Uncounted» (2011) über die Kunst der Romani in Osteuropa.
Robi Botos sass mit sieben Jahren erstmals am Piano. Von Joey Alexander heisst es, er habe mit sechs bereits Jazz-Standards aus dem Gedächtnis nachgespielt. Das Wunderkind aus Bali ist heute 13 und blickt bereits auf eine steile internationale Karriere zurück. Wie Botos hatte auch Alexander seinen Mentor: Herbie Hancock hörte den Zehnjährigen in Indonesien und zeigte sich entzückt. Bald darauf spielte der Knirps in New York – und von dort aus ging es auf Club- und Festivalbühnen in aller Welt. 2015 erschien Alexanders Debütalbum, 2016 gastierte er erstmals am Berner Jazzfestival.
«Jazz ist, was swingt und melodiös klingt»
Heuer spielt Joey Alexander im Trio mit Reuben Rogers am Bass und Ulysses Owens Jr. an den Drums. Nach wie vor Standards. Erstaunlich aber, wie fingerfertig der frühreife Autodidakt ans Werk geht und wie cool er dem Gespielten einen eigenen Touch verleiht.
Dass sich Topstars des Traditional Jazz nach Bern bequemen, hat einfache Gründe. Der Festivalgründer und Hotelier Hans Zurbrügg sowie sein Sohn Benny, der seit einigen Jahren die Fäden zieht, sind bestens vernetzt und gelten in der Szene als beliebte Gastgeber. Mit Marians Jazzroom können sie zudem ein lauschiges Lokal anbieten, das an die Kellerclubs von New York erinnert.
Begonnen hat Hans Zurbrügg 1976 freilich im Kursaal. Seit damals folgt er seiner Devise, die er in einem Interview einmal mit klaren Worten umriss: «Jazz ist, was swingt, melodiös klingt und eine erkennbare Struktur hat.» Was nicht dazugehört, überliess er stets anderen. Etwa seinen Veranstalterkollegen Claude Nobs und Niklaus Troxler, mit denen er sich 1976 abgesprochen habe. «Nobs hatte sein Festival in Montreux damals schon stilistisch in Richtung Pop geöffnet», erklärte Zurbrügg im selben Interview. «Troxler lancierte in Willisau ein Festival für Freejazz.» Den beswingten Mainstream präsentieren die Zurbrüggs seither in Bern.
Jazzfestival als Konzertreihe
Auf das Trippelkonzert des Eröffnungsabends folgen während des ganzen Berner Festivals grosse Namen auf der Hauptbühne in Marians Jazzroom. Aus Frankreich reist Gitarrist Biréli Lagrene mit dem feurigen Geiger Florin Niculescu an. Aus den USA kommt Saxofonist Chris Potter mit seinem Quartett oder Groove-Drummer Steve Gadd, der Frank Sinatra ebenso begleitete wie Paul Simon oder Al Jarrau. Sodann die junge Cécile McLorin Salvant aus Miami, Shooting Star des US-Jazzgesangs, im Duo mit Pianist Sullivan Fortner. All diese Gäste (und etliche mehr) sind je eine Woche lang zu hören, was eine Besonderheit des Berner Jazzfestivals ist. Es wird dadurch eher zu einer Konzertreihe, die sich über zehn Wochen hinzieht. Mit diesen Extremdimensionen wollen die Veranstalter ein möglichst grosses Publikum erreichen. Neben der Hauptbühne finden im Jazz-Zelt Konzerte mit Nachwuchsmusikern aus Bern und New York statt – bei freiem Eintritt.
CDs
Joey Alexander
Countdown
(Motema 2016).
Robi Botos
Movin’ Forward
(A440 2015).
Chucho Valdés
Border Free
(Comanche 2013).
Konzerte
42. Jazzfestival Bern
Sa, 11.3.–Sa, 20.5.
Diverse Bühnen Bern
www.jazzfestivalbern.ch
Eröffnungskonzert
Sa, 11.3., 20.00
Kursaal Bern