«Dass es eine schreckliche Sache ist, weiss ich, weil ich sie selber in Auftrag gegeben habe», sagt eine Stimme im Hörspiel «Möglicherweise gab es einen Zwischenfall». Und später: «Aber wenn man eine gute Antwort findet, werden Fragen überflüssig.» Von einer andern Person hört man die grausigen Worte: «Tote sind die letzte Möglichkeit, Europa aufzuwecken.» Die Menschen hätten mitgeholfen, Europa zu ermorden, «darum mussten sie sterben». 

Vieles bleibt offen

Offensichtlich hatte da einer ein Attentat auf das europäische Jugendparlament verübt. Eine Frau wird Ministerin nach dem Ende eines Diktatoren-Paars, eine andere sitzt reflektierend im Flugzeug, das abstürzt. Oder ein Mann stellt sich auf einem Platz Panzern entgegen. Vier Geschichten sind ineinander verwoben. Erst langsam schält sich heraus, um welche Geschichten es sich möglicherweise handeln könnte. Sie verweisen auf Bekanntes, ohne es konkret zu nennen: Ceausescu, Anders Breivik, Widerstand auf dem Tiananmen-Platz in Peking sind Stichworte aus der jüngeren und jüngsten Geschichte.

Der englische Dramatiker Chris Thorpe, dessen Theaterstück «There Has Possibly Been An Incident» (2011) Radio SRF 2 Kultur als Hörspiel bearbeitet hat, lässt vieles offen. Er stellt die Monologe nebeneinander; die Figuren erinnern sich, interpretieren, bisweilen in gnadenloser, kaltblütiger Art, reden von Schreckenstaten. Thorpe verzichtet auf eine Kommentar-Perspektive – er erklärt nichts. Die Leistung, aus seiner Sprache ein Ganzes herzustellen, muss man selber erbringen. Eine spezielle Hörspielerfahrung.

Radio
Möglicherweise gab es einen Zwischenfall
Hörspiel von Chris Thorpe
Regie: Andreas Sauter
Musik: Martin Bezzola
Mi, 10.2., 20.00 Radio SRF 2 Kultur