Honoré de Balzacs gleichnamiger Roman «Verlorene Illusionen» inspirierte Comiczeichner Helmut Wietz zu seinem neuen Buch: Darin kommt der Autor Lu­cien mittellos aus der DDR nach Westberlin. Angetrieben von einer Domina­-Produ­zen­tin schreibt er ein Theaterstück, das Riesenerfolg hat und viel Geld einspielt. Doch Lucien, unerfahren im Kapitalismus, verjuxt seinen Reichtum schnell – unter anderem mit schönen Huren.

Bald schon muss er sich bei ­einem TV-Produzenten als Serienschreiber verdingen. Dieser zwingt ihn in die Niederungen der Soap-­Drehbuch­produktion und legt ihn ­geschäftlich aufs Kreuz. Doch Lucien ist auf den Geschmack des Geldes gekommen. Er wird Serien-­Redak­tor bei ­einem Privatsender, treibt es dort aber zu bunt mit sei­ner Bestechlichkeit nach dem ihm einst eingeimpften Motto «Der Kapitalismus ist böse». Lucien wird gefeuert – di­rekt durchs Bürofenster über eine Feuerwehrleiter. Helmut Wietz schöpft hier aus dem Vollen, er kennt die Branche aus eigener Erfahrung.

Pralle Bilder voller Prominenz
Nach dem Rauswurf von Lu­cien geht die Post erst richtig ab. Mit einem dramaturgischen Kunstgriff landet Lucien Jahre zurück in der zerbröckelnden DDR. Für die DDR 2.0 entwirft er eine alternative Historie, und so wird für das ehemalige Paradies der Werktätigen die konstitutionelle Monarchie ausgerufen. 

Es sind pralle Bilder voller wiedererkennbarer Prominenz von Angela Merkel über Dieter Bohlen bis Sepp Blatter, gross­artig interpretiert von Comiczeichner und Autor Wietz. Sie treiben den Konkurrenzwahn zwischen öffentlichen und privaten Fern­sehunternehmen voran und auf die Spitze. Ein schräger Bilder- und Text-Spass, bei dem einem die letzten Illusionen abhandenkommen, so man sie noch hegte.

Buch
Helmut Wietz
Verlorene Illusionen  
Graphic Novel
68 Seiten 
(Walde+Graf 2017).